Lange war es ziemlich still hier. Und dennoch ist viel passiert. Es war nur nie die Zeit, darüber auch ausführlich zu berichten. Aber das hole ich nun nach. Das ist jetzt etwas länger, aber keine Angst, ab nächste Woche wird es jeweils recht kurze Beiträge hier geben, nämlich immer dann, wenn etwas Neues geschieht... Natürlich lassen sich wieder alle Bilder durch Anklicken vergrößern. Viel Vergnügen!
Schön ist es, wenn man sich Holz für ein Projekt passend bestellen, es in die Werkstatt liefern lassen, es fertig bearbeiten und zügig abzimmern kann. In den meisten Fällen wird sowas tatsächlich auch im Holzbau so gemacht.
In unserem Falle ist das wieder einmal alles anders.
Wir suchen Holz im Wald aus, lassen nach unseren Anforderungen fällen, um aus den rohen Stämmen dann alles anfertigen zu können, was wir so brauchen. Denn wir bauen mit Frischholz. So wie seit vielen Jahrtausenden. Und so, wie es bis vor hundert Jahren noch gemacht wurde. Hier kommt man an die Urspünge des Zimmerhandwerks. Mit allem, was dazu gehört.
Es ist natürlich etwas anderes, ob man technisch getrocknetes, DIN-genormtes Bauholz verwendet, von dem man meist weder weiß, wo die Bäume, von denen das Holz stammt, einmal standen, noch wo es gesägt worden ist und so weiter, oder aber ob man Bäume noch lebend gesehen hat, in ihrem natürlichen "Zuhause", da also, wo sie hundert oder zweihundert Jahre verbracht, ihre ganz eigenen Geschichten erlebt haben. Denn Bäume sind natürlich Lebewesen. Und noch mehr: Sie sind ihrerseits das Zuhause anderer Lebewesen, von Vögeln, Eichhörnchen, Schmetterlingsraupen, auch von vielen Käfern.
Unser Holz kommt von Eichen aus unserem heimischen Wald, nur zehn Kilometer von unserer Baustelle am Eisenzeithaus entfernt.
Hier liegen die Stämme unserer Bäume noch, vor erst wenigen Monaten gefällt, am Rande des Waldes, in dem sie aufgewachsen sind. Auch die kurzen im Hintergrund gehören dazu.
Und hier haben wir sie bereits zu unserer Werkstatt in Venne geholt, um sie genauestens zu begutachten.
Immer, wenn wir sowas machen, wird uns aufs Neue bewusst, dass diese Eichen ihr Leben für uns lassen mussten. Natürlich wären sie ansonsten irgendwann vielleicht auch gefällt worden. Und wer weiß, was dann aus dem Holz gemacht worden wäre. Es werden zwar für uns nur Bäume gefällt, die ohnehin angezählt, zur Ausdünnung vorgesehen waren, um etwa Platz für eine Verjüngung des Waldes zu schaffen. Denn vielerorts wurden vor hundert oder zweihundert Jahren Wälder neu aufgeforstet. Die Bäume sind dort oft in gleichem Alter. Im natürlichen Wald gibt es immer aber mehrere Generationen gleichzeitig. Das soll heute wieder erreicht werden. Aber vielleicht hätten unsere Eichen auch noch einige schöne Lebensjahre gehabt, wenn wir nicht gekommen wären.
(Einen Einblick über unsere Philosophie beim Bauen mit Holz gibt es hier click!)
Marcel, das jüngste Teammitglied am Eisenzeithaus, zieht als freiwilliger Helfer in seiner Freizeit bei den dünneren Stämmen bereits grob die äußere Schicht der Rinde ab, ganz traditionell mit dem Ziehmesser. Die "Mickymäuse", formal Kapselgehörschutz heißend, schützen ihn vor dem Lärm der schweren Maschinen, die Torben und ich ein paar Meter weiter im Einsatz haben, um die Stämme auf das Kernholz abzuarbeiten.
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Marcel Ackermann |
Diese Maschinen, 8 Kilogramm schwer, müssen in einer Weise geführt werden, die übel für unsere Rücken ist, die ja nicht jünger geworden sind, seit wir vor drei Jahren den letzten Bau auf diese Art gemacht haben. Sie wurden entworfen, um gelegentlich im Wald an dem ein oder anderen Baumstamm schnell etwas Rinde zu entfernen. Wir haben diese Geräte aber von nun an jeden Tag stundenlang in den Händen. So lange jedenfalls, bis alle Pfosten fertig sind. Dabei geht es bei uns nicht nur darum, die äussere Rinde, die Borke loszuwerden. Die Firstpfosten bekommen einen mittleren Durchmesser von 22 cm, die Aussenpfosten von 18 cm. Dabei sollte so gut wie kein Splintholz mehr vorhanden sein, sondern nur noch das harte und viel dauerhaftere Kernholz. Deshalb müssen wir uns mit diesen Geräten rundum bis zu 10 cm tief in das Holz hineingraben. Als diese Aufnahmen entstanden, herrschte für fast eine Woche lang 30° C und es war höllisch schwül. Keine spaßige Arbeit unter diesen Umständen.
Exkurs: Kann man die Rinde nicht einfach dran lassen? Kann man schon. Aber das ist dann eigentlich Mist. Mal rein baufachlich: man sieht nicht, wenn Käfer ihre winzigen Eiablagelöcher ins Cambium gebohrt haben. Nach dem Entrinden sieht man den möglichen Befall erst. Seit einigen Jahren werden unsere Eichen, kaum, dass sie geschlagen sind, fast alle sehr zügig befallen. In wenigen Wochen entsteht eine sich bis tief ins Splintholz hineingrabende, dicker werdende Made, die dann nach einiger Zeit, manchmal erst nach einigen Jahren eine Verpuppungskammer anlegt, in der sie zum Käfer wird, der - meist sehr viel kleiner als die Made, durch ein Ausflugloch das Holz verlässt. Es gibt inzwischen wieder Käfer hierzulande, die sogar Generation für Generation bis tief ins Kernholz bohren und es nach und nach zerstören. Dazu trocknet nicht entrindetes Holz extrem viel langsamer, die Borke ist wie ein Schwamm, der aus dem Kernholz ständig feucht gehalten wird und diese Feuchtigkeit nur langsam abgibt.
Ausserdem sieht ein vorgeschichtlicher Bau mit nicht entrindetem Holz so aus, als wolle man sagen: "guckt her, wie rustikal die damals bauten, sie konnten es nicht besser, Barbaren, die auf Bäumen lebten eben!". Aus der Phase der sogenannten "rustikalen Rekonstruktionen" vorgeschichtlicher Bauten sind wir lange raus. Das war noch in den 1960er und 1970er Jahren "Mode". Heutige Archäologische Freilichtmuseen sollten sowas nicht mehr machen. Dazu J.M. Coles in "Ancient wood, woodworking
and wooden houses, EXARC 1987: "Sapwood
rots more quickly than hardwood and
its removal delays decay of the timber. Oak has a marked sapwood zone
and elm has approximately 20-30 sapwood rings but lime is less clear. It is
not surprising that even in the Early
Neolithic, sapwood was almost always
removed from timber; the structures
built involved considerable pressure
on plank edges, and a sapwood edge
would rapidly collapse" (ungefähr: Splintholz verrottet schneller als Kernholz und seine Entfernung verzögert den Zerfall hölzerner Bauteile. Eiche hat eine deutliche Splintholzzone [...]. Es überrascht nicht, dass sogar in der Jungsteinzeit das Splintholz nahezu immer vom Bauholz entfernt wurde; die Konstruktionen brachten erheblichen Druck auf die Kanten der Bauhölzer und eine Splintholzkante würde schnell zusammenbrechen").
Wir entrinden selbstverständlich konsequent. Und entfernen darüber hinaus das Splintholz - dies aber hauptsächlich, weil wir für etwas längere Zeiträume bauen müssen als die vorgeschichtlichen Kollegen. Sie haben vermutlich nur wichtige Bauteile bis auf Kernholz abgearbeitet. Entrindet haben sie jedoch sicher immer. Wir haben seit langem eine Technik, die es uns erlaubt, das Ergebnis so hinzubekommen, dass es nach einfachem Schälen auch nicht viel anders ausgesehen hätte.
Neu war diesmal die Idee, Rollen auf Holzklötze zu schrauben. So können wir die Stämme nun mit dem Fuß weiter drehen, um sie rundherum gleichmässig abzuarbeiten. Zumindest fiel so das hundertfache aus der Hand Legen der Maschine, mit den Händen den Stamm Drehen, die Maschine Wiederaufnehmen, kurzum, das hundertfache Sich-Bücken-Müssen weg. Allerdings nur bei den geraden Stämmen. Die krummen wehrten sich gegen das leichtfüßige Rollen dann doch zu sehr.
Torben
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Torben Altemöller |
Der Autor, inzwischen ohne lange Haare.
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Christian (Chris) Schlichting |
Torbens Beine und vor allem Schuhe sind gut vor heranpeitschenden Holzspänen durch seine lange Schlaghose geschützt.
Ich mit meinen kurzen Hosen muss dagegen einigermaßen leiden. Dafür ist die Hitze so besser zu ertragen. Wenn man bei so etwas mit kurzer Buxe arbeitet, braucht man solche Schuh-Überstülper, damit die Späne nicht in die Schuhe geraten können.
Kleiner Exkurs
Der Schlag bei Zimmermannshosen ist übrigens ursprünglich, anders als man es fast überall lesen kann, gar nicht dazu gedacht gewesen, zu verhindern, dass Späne in Schuhe fallen können. Diese Hosen stammen von den Hosen der Hamburger Schiffszimmerleute ab. Wie alle anderen Seeleute auch mussten sie oft in knietiefem Salzwasser herumwaten, zum Beispiel, wenn sie im Schiffsrumpf Lecks reparierten. Die Hosen saugten sich dabei bis oben zum Schritt mit stinkendem Bilgenwasser voll. Der weite Schlag machte es möglich, den unteren Hosensaum zu packen, und ihn bis hinauf zum Schritt hoch zu ziehen. Damit war die lange Hose im Handumdrehen in eine Shorts verwandelt und blieb trocken. Eine andere Erklärung findet man auch gelegentlich: Sollte man mal über Bord gegangen sein, konnte man eine Hose mit weitem Schlag schneller ausziehen. Das ist überlebenswichtig, denn mit vollgesogenen Kleidern kann man nicht gut schwimmen. Wie auch immer, solche Zunfthosen mit Schlag sind perfekt für Leute wie wir, die wirklich Späne machen. Auch der dicke Cordstoff hat sich dabei bewährt, denn er puffert die Einschläge der Holzschnitzel gut ab. Aber 30 Grad Celsius sind dann eben auch ein Gegenargument. Nach einigen Tagen habe ich die Knickerbocker allerdings aufgegeben und fortan nur noch die lange Schlaghose vollgeschwitzt. "An den Beinen schwitzt man wenig"? Von wegen. Und ob man schwitzt.
Nach ein bis zwei Stämmen müssen wir die Rollenböcke aus den Spänen ausgraben. Wir schaffen an guten Tagen vier kurze Stämmchen pro Mann.
Hier einige der bereits fertiggestellten neuen Außenposten für das Eisenzeithaus. Wir haben so manche Käferlarve freigelegt und können nun sicher sein, dass hier drin nichts mehr lebt.
Die ganz großen Kaliber verfrachten wir auf unser Sägewerk, um den Großteil bereits herunter zu sägen, bevor wir mit der Hand weitermachen.
Für die Firstpfosten brauchen wir solche kerzengeraden Eichenstämme.
Für die neuen Dachreiter, also die Hängehölzer, die oben auf dem Reetdach den neuen Heidefirst festhalten und beschweren werden, haben wir Rohlinge aus bereits fertig abgelagerter, trockener Eiche gefertigt. Sie sind dann nicht so schwer und geben keine Feuchtigkeit mehr an das Heidekraut ab.
Sie müssen in sich beweglich sein, damit sie in den kommenden Jahren nachgeben können, wenn der Heidekrautfirst durch seine natürliche Alterung etwas absackt. Den Grad des Absackens einzuschätzen, ist Aufgabe des Reetdachdeckers. Danach richtet sich, wie wir das "Scharnier" gestalten. Wir bauen einen Startwinkel von 45° ein, der sich dann bis auf 33° abflachen kann.
Hier haben wir bereits alle Rohlinge dafür gefertigt. Abgearbeitet auf das Kernholz und geglättet .
Nun bauen wir sie zusammen.
So wird es gehen. Passt, wackelt und hat Luft. 45° am Anfang, so wie hier mal probeweise aufgestellt, werden die Dachreiter bald auf dem erneuerten Heidekrautfirst des Reetdaches thronen. Mit der Zeit wird der Kreuzungspunkt zusammen mit dem nachlassenden Heidekraut nach unten sacken und die Schenkel einen Winkel von 33° bilden. Diese Dachreiter sind dann ein guter Anzeiger dafür, wann es Zeit ist, den First wieder zu erneuern.
So langsam wächst der Stapel an einbaufertigen Ersatzteilen für das Eisenzeithaus.
Hier kommen nun noch fünf riesen Trumme an Baumstämmen, sie stammen von mehrhundertjährigen Eichen.
Aus ihnen schneiden wir Bohlen vor, die wir dann von Hand abbeilen und dechseln. Daraus wird der Holzboden für den Wohnteil des Eisenzeithauses. Die traditionelle Weise wäre das Spalten. Doch dann haben wir viel Verlust, da beim Spalten das Holz manchmal auf ungünstige Weise einreißt, wir dann nach dem Spalten aber nur die relativ gerade herausgekommenen Spaltbohlen verwenden können. Sowas geht heute nur mit enormem Holzverbrauch, viel Zeit und alles kostet enorm viel Geld, es sei denn, man findet genügend tadellose, astfreie, kerzengerade Eichen, die auch noch ohne Drehwuchs sind. Vor über 2000 Jahren ging man sicher lieber ein paar Tage mehr durch den Wald, suchte die perfekten Eichen, statt an weniger geeignetem Holz später mühevoll mit Problemen zu kämpfen. Heute geht das so nur noch selten. Beim Bau großer historischer Holzschiffe macht man sowas noch. Aber das ist richtig teuer. Wir nehmen Abkürzungen da, wo sie sinnvoll sind.
Günter Buhr im Einsatz. Obwohl längst im Ruhestand, ist seine Erfahrung und sind seine Augen unbezahlbar, wenn es gilt, solche wertvollen Eichen auf die sparsamste Weise aufzusägen. Von den alten Meistern kann man immer viel lernen.
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Günter Buhr |
Es ist ein riesen Aufwand, jeden der dicken Stämme zunächst in der richtigen Lage auf das Gleis der Säge zu bekommen, dann Bohle für Bohle zu schneiden, ohne, dass die Bandführung an den Seiten irgendwo anschlägt und die Säge so blockiert. So dauert es enorm viel Zeit für jeden Stamm. Immer wieder muss der Stamm auf dem Gleisbett leicht hin oder her verschoben werden. Bis zu 8 Meter lang und über 60 cm dick sind diese Stämme. Entsprechend enorm ist ihr Gewicht. Fehler dürfen nicht passieren. Wenn mit solchen Riesen gekämpft wird, ist Lebensgefahr. Wir versuchen, so ökonomisch wie möglich vorzugehen, das Holz darf nicht verschwendet werden. So viele gute 5 cm dicke Bohlen wie möglich wollen wir aus den Stämmen machen. Eiche ist nie gerade, so wie etwa Fichenstämme. Am Verschnitt sehen wir später, ob wir gut waren oder nicht.
Wir haben sehr wenig Verschnitt, im Grunde nur die oberen und unteren Schwarten.
Und ein bisschen "Brettabschnitt". Daraus mache ich später noch irgendwas Nützliches.
Am letzten Samstag räumten wir das Eisenzeithaus leer. Alles musste raus. Denn der Einbau der neuen Firstpfosten wird friemelig genug, da sollte nicht noch Krams im Wege sein.
Wir werden alle Pfosten, obwohl sie nur noch aus Kernholz bestehen, experimentell in Stampflehm einbauen. Was aus dem Boden herausguckt, werden wir mit Lehmschlamm einreiben bis zu einer Höhe von 20 cm. Mal sehen, wie lange die Pfostenenden dann durchhalten, bis irgendwann wieder repariert werden muss. Dann aber, hoffentlich erst in drei Jahrzehnten, können sie unten abgeschnitten und auf eine Stahlgewindestange in Beton gestellt werden. Dann hält das ewig.
Aber bis dahin sind wir so alt, dass wir daran vermutlich nicht mehr beteiligt sein werden. Selbst wenn die neuen Pfosten nur so lange durchhalten würden wie ihre Vorgänger, also etwa 15 Jahre, bin zumindest ich fast 70. Es bleibt vorerst also dabei: ein echter Pfostenbau. Wie das Original vor 2300 Jahren.
In aller Frühe kam gestern bereits der Stampflehm, von Hasko Lehmbau genau für unseren Zweck fertig gemischt.
Das leere Eisenzeithaus. Bald wird es hier ganz anders aussehen.
Auch die alte Feuerstelle wird vollkommen neu gestaltet. Nach neuesten Erkenntnissen aus der dänischen Archäologie. Lasst euch überraschen!
Vielleicht schaffe ich es sogar, bei der Gelegenheit der Erneuerung des Stallbodens (diesmal mit dem von Hasko nach historischem Rezept hergestellten Stampflehm) die bislang fehlenden Viehboxen einzubauen. Dann wäre der Nachbau noch realistischer.
Nun wisst ihr, was wir in den letzten Wochen so getrieben haben.
Am Montag geht die eigentliche Sanierung los. Nächste Woche wollen wir die mächtigen Firstpfosten im Inneren ausbauen und die neuen einbauen. Das wird mega spannend! Wir halten euch natürlich hier auf dem Laufenden.
Schönes Wochenende und vielen Dank dafür, dass ihr beim Lesen bis hierher durchgehalten habt!
Chris