Donnerstag, 30. April 2020

Der Lehmbau hat begonnen


Nicht zu warm, leichter Wind, immer wieder sonnige Abschnitte. So sieht das perfekte Wetter für den Lehmbau aus. Gestern bereits hat die Truppe von Hasko Lehmbau und Lehmsteine-Manufaktur mit dem Ausstaken begonnen und heute ging es weiter, wobei bereits parallel der erste Lehmverstrich aufgebracht wird. Der Name Hasko setzt sich aus den Nachnamen von Frank Haverkamp und Andre Skolaski zusammen, die den Betrieb in Bohmte vor vielen Jahren gründeten und immer noch führen. Dort werden auch Lehmziegel wie vor vielen hunderten Jahren rein von Hand gemacht und an der Luft getrocknet, spannende Sache! Diese Leute zählen zu den erfahrendsten Lehmbauspezialisten Deutschlands. In dieses Gebäude haben sich so quasi die letzten ihrer Zunft eingebracht, vom Zimmerer traditionellen Holzbaus, über Holzschindelmacher bis zu den Lehmbauspezialisten.

Wir halten uns hier auf der Baustelle übrigens so weit es möglich ist, an die Regeln und tragen einen Mund-Nase-Schutz. Nur für diese Bilder wurden sie allerdings kurz abgenommen. Denn diese Bilder werden ja jahrelang zu sehen sein. Wär doch jammerschade, wenn dann dieses blöde Virus sein Denkmal in Form von Hygienemasken bekommen würde. Das gönnen wir ihm nicht! Nach dem Bild kamen die Masken wieder auf.


Die Lehmbauer sind aus unserer Gegend und seit vielen vielen Jahren machen sie nix anderes als historische Lehmbauten restaurieren, sogar Neubauten, die im traditionellen Stil gemacht werden, sind ihr Gewerk. Es ist faszinierend, mit welcher Technik sie die merkwürdigsten Winkel mit Geflecht füllen. Zum Ausflechten werden hier Weidenruten, aber aus Haselruten genommen. Dies ist wahrscheinlich das älteste Bauhandwerk der Welt! So hat man das bereits im Mesolithikum vor über 10000 Jahren in einfachen Hütten und sogar für Fischzäune gemacht.


Tedi beim Ausflechten



 Fast schon schade, daß später davon nichts mehr zu sehen sein wird...











Die Pfosten werden bei dieser Gelegenheit im Übergangsbereich zum Erdboden mit Lehm eingestrichen. Lehm ist antibakteriell und fungizid zugleich, dabei diffusionsoffen, das heißt, daß Feuchtigkeit entweichen kann. Ein guter Schutz für das Holz! Für diesen Anstrich, aber auch für die Wände und später für den Boden müssen genaue Rezepturen des Lehms eingehalten werden. Man kann nicht irgendeinen Lehm dafür gebrauchen. Es gehört Erfahrung dazu, einzuschätzen, wie "fett" oder "mager", wie fein, oder wie grob dieser Baustoff sein muß für die unterschiedlichen Einsatzbereiche. Nach dem Abbau des Lehms muß er gesiebt, von Steinen befreit und weiter verfeinert werden. Dann muß die richtige Mischung mit Häcksel, Wasser, gegebenenfalls Sand, erreicht werden. Der Lehm muß auch bei der richtigen Witterung verarbeitet werden, damit er in der richtigen Geschwindigkeit "anzieht", nicht zu schnell, und nicht zu langsam. All das lernt man nur mit der Zeit.














Die Staken sind zumeist einfache dünne Kanthölzer aus Eiche. Man kann dafür eigentlich alles an Resten verbraten, was anderswo abgefallen ist, solange es kein splintiges Weichholz ist. Für Spaltlinge ist der Aufwand hier, wo sie nur im Inneren der Lehmwand sitzen, zu groß, und wir haben uns ja entschieden, da Abkürzungen zu nehmen, wo es ohne Bedeutung für das spätere Gebäude ist. Dennoch werden hier und dort gespaltene Staken eingebaut. Sie sind zum Teil mehrere hundert Jahre alt und stammen aus alten Fachwerken.

Die Schwierigkeit bei Pfostenbauten ist, daß die Staken nach unten kein Gegenlager haben, wie ein Schwellbalken oder eine Sockelmauer. Hier muß es dann ein Feldstein tun. So hat vermutlich die initiale Inspiration für die späteren Schwellbauten ausgesehen. Der Gedanke, alle Stützen eines Gebäudes auf solche "Sockel" zu stellen, und sie damit aus der Feuchtigkeitszone der Erdoberfläche zu heben und dauerhaft haltbarer zu machen, kam aber tatsächlich erst recht spät auf. Und dann setzte sich diese Idee immer noch nur sehr zögerlich durch.



Gestampfter Lehm, darauf ein Sockelstein, darauf die Stake. Die Wand wird mit all dem Lehm sehr schwer. Und man will ja nicht, daß sie unter ihrem eigenen Gewicht absinkt, und dann oben ein Spalt entsteht.







Hier steckt solch eine hunderte Jahre alte gespaltene Stake im Geflecht.








Mund-Nasenschutz ab fürs Foto...Rechts in der Hocke Marcel, Sohn von Frank Haverkamp, der bereits fest in den Fußstanpfen seines Papas steht und inzwischen ebenfalls ein gestandener Lehmbauer ist. Verdeckt hinter dem Pfosten steht Patrick, und weiter hinten Tedi.



Das Geflecht dient dazu, dem Lehm Halt zu geben. Es ist wichtig, ihn mit den Fingern in die Ritzen und Zwischenräume zu drücken. Oft hört und liest man das Wort "Lehmbewurf". Das ist aber ganz falsch. Wer den Lehm so flüssig hat, daß er ihn einfach mit "Schmackes" an die Flechtwand werfen kann, so daß er sich in die Ritzen setzt, riskiert, daß die Wand ihn einfach wieder zurückwirft, oder aber fiese Trockenrisse entstehen, die man mühsam wieder füllen müsste. Drücken muß man. Und dann verstreichen. Später wird geputzt. Das wird spannend, denn dann wird direkt vor Ort Sumpfkalk hergestellt, nach uraltem Verfahren direkt an Ort und Stelle gelöscht... Dazu später mehr, wenn es an der Reihe ist.






Auf dem nächsten Bild sieht man gut die Technik: Jede eingeflochtene und eingeschobene Rute und jedes noch so kleine Hölzchen dient dazu, dem Lehm etwas zum Festkrallen zu bieten. Von Außen ist er hier durch die Zwischenräume hindurchgedrückt worden, wodurch er nach innen herausquillt. Dort wird er dann nach unten flach abgebogen. Dadurch hängt er fast wie auf der Wäscheleine zum Trocknen. Nach und nach wird weiterer Lehm auf dieser dann bereits angetrockneten Grundlage aufgebaut. An original erhaltenem "Hüttenlehm" aus archäologischen Funden z. B. der Eisenzeit sieht man noch oft die "Abdrücke" der Flechtruten. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde in ländlichen Bereichen noch exakt so gebaut. "Hüttenlehm" ist allerdings ein blöder Begriff, den die Archäologie langsam mal ausmustern sollte. Denn es ist Lehm aus der Hauswand. Der Begriff "Hütte" war in der Entstehungszeit des Begriffs abwertend gemeint und erzeugte Assoziationen mit vermeintlich "primitiven" Unterkünften,  die Gegenstand kolonialzeitlicher Völkerkundler waren. Daß auch die Menschen angeblich "primitiver" Völker nicht in Hütten, sondern in Häusern wohnen, sollte heute klar sein. Und auch wir haben für andere Zwecke die Hütte. Aber selten zum drin wohnen.





















Wenn man genau hinschaut, sieht man, dasß die Staken oben ins Holz eingezapft sind. Würde man das nicht machen, könnte man nicht flechten, oder aber die ganze Wand einfach ganz leicht herausdrücken.





 Baugetränk Nummer eins: Kaffee!
















Während die Jungs vom Lehmbau flechten und auslehmen was das Zeug hält (in einer Geschwindigkeit, die fast unglaublich ist), nutzen Simon und Christian die Zeit, um das Gelände shipshape zu machen und um das Gerümpel, das sich so mit den Jahren angesammelt hat, zum Wertstoffhof zu bringen.




Simon, der Unsterbliche ;)




Nun ist erst mal Feiertag und dann Wochenende. Montag geht es weiter...











Montag, 6. April 2020

Der Holzbau ist fertig!


Es ist vollbracht!

Nach fast exakt fünf Monaten ist nun also endlich der reine Holzbau des Speichers und "Wagenschuppens" fertig.


Nun fehlen "nur" noch die Lehmflechtwände und die Eichenbohlen für den Lagerboden.

Zugegeben, es ist eigentlich schon seit ein paar Tagen fertig, aber natürlich brauchte es danach erst einmal etwas Zeit, sich selbst mit dem überraschenden Ergebnis dieses baulichen Experiments* auseinanderzusetzen.

Aber hier nun zum ersten Mal ein kleiner Rundgang um das neue Gebäude.

Zunächst zeigt es sich als Vorläufer der späteren, in Ständerbauweise errichteten Fachwerkbauten. Es ist aber ein reiner Pfostenbau. Und es hat noch keine "echten" Fächer.


Rückseite und Giebelseite


Wenn man darum herum schleicht, entdeckt man seine besondere Funktion als Wagenschuppen durch seine breiten Einfahrten für Wagen. Eine frei hängende Traufe und der asymmetrische Schnitt machen seine Erscheinung ungewöhnlich.



Giebel und Front


Nach oben fällt der Blick zum Lagerboden hinauf, der das Gebäude um die Funktion eines Speichers erweitert. Hier kann zum Beispiel Getreide heraufgeschafft werden, damit es trocknen kann. Die Giebelseiten folgen der nordwestdeutschen Tradition und deuten die Nähe zu den zweischiffigen Konstruktionsweisen des küstennahen Raumes an.






Die Frontansicht dagegen durchbricht mit ihrer hochgezogenen Traufe diesen Eindruck.
Wir haben nun fast schon echte "südliche" Architektur vor uns, wie man sie sich in "keltischen" Oppida vorstellen kann. Aus dieser Perspektive wird nun endgültig die Funktion als sicherer Stellplatz für Wagen deutlich, und zwar sowohl für einfache Gebrauchswagen, wie Ackerwagen, als auch besonders für jene Wagen, die religiöse, gesellschaftliche oder auch reine Prestige-Funktion gehabt haben. Denn solche Wagen sind eines der beeindruckendsten kulturellen Kennzeichen der vorrömischen Eisenzeit bis hinauf ins heutige Dänemark. Es fehlte bislang allerdings immer an halbwegs plausiblen Ideen für die vernünftige Unterbringung dieser wertvollen Gefährte. Dieses Gebäude kann vielleicht nun dafür ein Vorschlag sein. Ein "langgestreckter" Speicher, wie sie Hajo Zimmermann** benannt hat, als ebenerdiger Wagenschuppen mit Lagerboden***.



Frontseite


Aber wie sieht es mit der Funktion als Lagergebäude aus?

Blickt man nach oben unter das Dach, wird einem der breite und sehr belastbare Speicherraum bewußt, den man erreichen kann, wenn man die beiden Längsträger von Latte zu Latte mit 5 cm starken Eichenbohlen belegt und dabei Luken frei läßt, durch die man per Stiege einteigen könnte, vielleicht sogar ab Ladefläche des Ackerwagens. Aber was zum Himmel soll man dort oben lagern?



Der "Balken"


Aus der vorrömischen Eisenzeit kennt man tausende sehr grob gemagerte Keramikgefäße, die mit bis zu 50 cm Duchmesser und gelegentlich sogar mehr als 70 cm Höhe als Vorratsgefäße angesprochen werden. Man geht vielfach davon aus, daß sie in den Boden eingelassen wurden, um bestimmte Prozesse zu ermöglichen, wie z. B. das Fermentieren von Feldgemüse oder die Maische-Gärung zur Herstellung von Bier (Lager) und so weiter.
Die wichtigste Aufgabe dieser dickbauchigen Töppe aber war es, Speisevorräte wie besonders das Getreide kühl zu halten. Doch Getreide darf keinesfalls feucht eingelagert werden, was die Notwendigkeit der vorangehenden Trocknung mit sich bringt. Je nach Witterung zur Erntezeit kann das aber mitunter sehr knifflig werden. Stellen wir uns nun also unseren Lagerboden vor, wie er bald ganze Wagenladungen Getreide schluckt, die in der sommerlichen Wärme unter dem luftigen Holzdach trocknen werden, bevor sie endlich zur weiteren Lagerung in jenen bauchigen Tongefäßen verschwinden, die dann bis zum Hals an einer vor Regen und Staunässe geschützten Stelle im kühlen Erdboden eingetieft werden. So manches lange Teil, wie Deichseln, aber auch jede Menge nur zur Erntezeit benötigtes Gerät, könnte dann im Anschluß für die lange Herbst- und Winterzeit hier oben Platz finden, denn unter diesem Dach stehen insgesamt 9 Meter Länge und fast 2,80 Meter Breite zu ihrer sicheren Unterbringung zur Verfügung.



Hier fehlen die Eichenbohlen, die auf den beiden Längsträgern aufliegen sollen.



Im nächsten Bild noch ein Blick in den Lagerboden, quasi aus der Perspektive "von Oberkante Eichenbohle". Die Querbalken, die die Sparren tragen, unterteilen die mögliche Lagerfläche. Natürlich kann man hier nicht aufrecht stehen, es sei denn, man ist sehr klein. Aber das ist für die Nutzung dieses Raumes auch gar nicht nötig. Man schüttet oder schiebt auf solchen Böden das Gut dorthin, wo man es deponieren will und kann sich selbst dabei auch kriechend bewegen. Mit Schiebern aus Holz kann man zum Beispiel von den Luken aus das trocknende Getreide regelmäßig wenden. Solche niedrigen Böden kennt man aus späteren Heuerhäusern als sogenannte "Kriechböden". Auch diese waren meist voll ausgenutzt. Mit steilerem Dachwinkel wäre allerdings eine etwas größere Höhe gewonnen worden, aber man kann nicht alles haben.



Blick aus der Perspektive einer Maus, die den Lagerboden auskundschaftet. Weil die Eichenbohlen fehlen, wird das arme Tier nun allerdings hinunterstürzen.


In Wahrheit sehen wir aber vor Regenschauern fliehende Menschen Zuflucht suchen, Schirme ausschütteln. Wir sehen Kinder Getreide mahlen, Brotlaibe formen, Wolle filzen, Fibeln biegen.
Zu guter letzt sehen wir bereits jetzt schon das alljährlich stattfindende Sommerfest vor uns und ahnen, daß sich hier dann ganz bestimmte Handwerker*innen niederlassen werden, um endlich windgeschützt und trockenen Hauptes ihre Kunstfertigkeit demonstrieren zu können.



Wenn die Rückwand und die Seitenwände eingebaut sind, wird sich der Charakter des Baus noch einmal stark verändern.



Und der hier muß jetzt einfach sein! Dieser Wagen ist wohl der prachtvollste eisenzeitliche Wagen, der bislang gefunden wurde. Er besitzt sogar eine gefederte Aufhängung des Wagenkastens! Daß es Funde von Bauteilen solcher Wagen auch von der Schnippenburg gibt, ist pulstreibend.





https://www.laits.utexas.edu/ironagecelts/images/vix/vix_wagon_reconstr.jpg
Eisenzeitlicher Wagen von Vix, Frankreich; Bild: University of Texas





Vermutlich wird es aber doch eher ein Fahrzeug aus dieser Modellreihe:



Das macht sicher ne Menge Spaß!



Oder der?



Einfacher Wagen vom Tranebær-Typ aus Dänemark; Bei diesem Typ ist die Deichsel mit einem Handgriff demontierbar. Bild: Jørgen Kraglund, Skalk





Die gestelzte und damit klassische Variante des 15-Pfosten-Speichers haben wir uns für das nächste Projekt aufgehoben! Dann wird sich ein toller Gegensatz ergeben: zwei vollkommen unterschiedliche Gebäude, die auf genau dem selben Befund basieren. Das eine unsere Wollmilchsau, das andere die fachlich korrekte archäologische Rekonstruktion.


Für heute war es das von uns. Denkt nicht, wir lassen euch jetzt in Ruhe! Sobald es mit dem Lahmbau los geht, der dem Bau wieder einen vollkommen neuen und ganz anderen Charakter geben wird, sehen wir uns hier wieder. Bleibt gesund und munter! Und immer die Ruhe bewahren. RGG (Rheinisches Grundgesetz) Artikel 3: Et hätt noch emmer joot jejange.



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Anmerkungen:

* Das Experiment:
15 Pfostenlöcher und jede Menge Bedürfnisse und Wünsche in einem Gebäude zusammenfassen, eine echte Denkaufgabe.
Das Problem war ja, daß ein weiterer Plattformbau, also ein "klassischer gestelzter Speicher", aktuell wenig praktischen Nutzen für den Betrieb des Eisenzeitgeländes haben würde. Es brauchte stattdessen ein "Abdach", unter das sich Gruppen bei plötzlich aufkommendem Regen flüchten könnten. Stabil sollte es sein für viele viele Jahre. Denn die Erfahrung mit den letzten Abdächern, die nach nur 7 Jahren in sich zusammenfielen, war lehrreich. Also sollte ein ebenerdig begehbarer Bereich mit möglichst großer überdachter Fläche und großer Haltbarkeit gebaut werden. Dennoch sollten die 15 Pfosten des Baubefundes vom Erlengrund in Ostercappeln-Venne wiedergegeben werden, und zwar im Originalmaßstab. Und in original Himmelsrichtung ausgerichtet.
Wir waren sehr gespannt darauf, was dabei herauskommen würde, wenn wir uns tatsächlich einmal vom Konzept, nach dem man immer bestrebt ist, einen möglichst großen pfostenfreien Innenraum zu erreichen, trennen, und einfach einmal auf viele Pfosten statt einer Plattform ein Dach setzen. Das ging bei dem Befund aus Venne, weil die Abstände zwischen den einzelnen Dreiergruppen der Pfosten groß genug waren. Da solch eine Dachfläche aber natürlich keine 15 Pfosten als "Stuhl" bräuchte, mußte nach "echten" Funktionen für die gesamte Anzahl Pfosten gesucht werden. Gefunden wurden diese Funktionen mit dem Konzept eines hohen Lagerbodens, der für große Lasten ausgelegt werden konnte, und mit dem Konzept der offenen, wandlosen Langseite mit frei hängender Dachtraufe.
Das überraschende Ergebnis ist nun ein Mehrzweckbau geworden, der sogar Sinn macht, und das nicht nur wohlwollend betrachtet. Er kann bei vorgeschichtlicher Nutzungsweise als Wagenschuppen und als Werkstatt, aber auch als Lagergebäude dienen und wird zugleich in heutiger Zeit als Abdach für Besucher und für die Nutzung in "kleinen" museumspädagogischen Programmen wie Schmuckwerkstatt, Filzen, Töpfern, Backen usw. genutzt werden können.
Das neue Gebäude ist also eine echte "eierlegende Wollmilchsau" geworden mit vielen konstruktiven Details, die nebenbei auch noch jede Menge interessante Unterhaltungen über traditionelle Holzbauweisen ermöglichen. Denn der bewußte Stilbruch, der durch die gewählte Dachhaut aus Eichenholzschindeln bereits erreicht wird, aber auch die aufwändige Konstruktion des Holzunterbaus, laden zu Diskussionen ein, wie Gebäude, von denen man nur die "Standspur" kennt, wohl oberirdisch ausgesehen haben, und worauf sich die regionalen traditionellen Bauweisen heute teils noch erhaltener historischer Bauten, baugeschichtlich gründen lassen könnten. Ein spannendes Thema für sich. "Das hat so sicher nicht ausgesehen." "Warum nicht?" "Na ja, weil..." ... und schon ist man mitten in einer sehr konstruktiven Diskussion. Zum Beispiel um die Frage, ob "Vielpfostenbauten" immer "gestelzte" Speicher waren. Und wie genau gestelzte Speicher konstruiert waren. Als "Schwellenbau" auf Stützen, während für ebenerdige Bauten die viel vergänglichere Pfostenbauweise noch Jahrhunderte fortbestehen sollte? Oder als Pfostenbau mit erhöhter Balkenlage, die den Lagerboden trug?

** Zimmermann, W. H., 1992: Die Siedlungen des 1. bis 6. Jahrhunderts nach Christus von Flögeln-Eekhölten, Niedersachsen. Die Bauformen und ihre Funktionen. Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 19, Oldenburg. Abb. 185, 186, 187 u. 191.
Beschreibung Seite 241:
"Eine eigene Kategorie, bei der nicht so sehr die Zahl der Pfosten, sondern die Form des Grundrisses bestimmend ist, bilden die langgestreckten Speicher. Zu ihnen gehört vielleicht schon ein Teil der oben besprochenen Sechs-PfostenSpeicher.
Die hier vorgelegten elf Grundrisse können zu sehr unterschiedlichen Gebäuden gehört haben, außer zu Speichern und/oder zaunparallelen Pfostenrosten können sich darunter Reste des Innengerüstes von Langhäusern oder Wandpfosten von Nebengebäuden verbergen. Dafür sprechen auch die hier folgenden P-Kartierungen von SP 75 und 76. Die Größe der langgestreckten Speicher liegt zwischen 8 m2 und 45 m2 (Durchschnitt 26,6 m2).
Vergleichbare Grundrisse sind z.B. in Beers, Gassei, Nord-Brabant (NL) zutagekommen (BAZELMANS 1991, 136 f.)"; ZIMMERMANN, 1992, S. 241
 


*** bei W. Haio Zimmermann "Die Siedlungen des 1. bis 6. Jahrhunderts nach Christus von Flögeln-Eekhöltjen, Nieder Sachsen: Die Bauformen und ihre Funktionen" findet sich folgende interessante Beschreibung von Remisen mit Speicherfunktion:
Beschreibung S. 261:
"Wagenschauer mit 'Stützen' werden in den Erdbüchern im westlichen Südschleswig mehrfach erwähnt. Ihre Funktion geht spätestens im 18. Jh. auf die Scheunen über. Erhalten ist vielleicht noch ein Gebäude, von dem BEDAL vermutet, daß das kleine, heute als Wohnhaus dienende Gebäude ursprünglich ein offener, längs aufgeschlossener Wagenschauer war. Interessant im Vergleich zu den zaunparallelen Pfostenrosten ist das möglicherweise als Speicherraum genutze Dachgeschoß. Eine Verbindung von Speichern und Remisen zeigt sich vielleicht auch in den Vierlanden, wo Kornspeicher und 'schuppenartige Wandständerbauten' gegen Ende des 18. und im 19. Jh. in der gleichen Kategorie versichert wurden (GROTE 1982, 296). Auch in Gloucestershire, England, fanden sich Getreidespeicher in einigen Fällen über Wagenschauern oder anderen Nebengebäuden (PETERS 1988, 72). R. NORTH beschreibt um 1648 einen wohl entsprechenden Bau: "In the Midlands they make frames of wood, and lay sticks and rafts over and so lay corne upon them, about 15 foot from the ground, and underneath they stow carts, plows &c., where they stand dry; and next to the braces they line the posts with brass tinsell (Streifen dünnen Messingblechs), and by that means keep vermin (Ungeziefer) from ascending. And all thatch. By this they pretend so great convenience in the sweetness of their corne, and preservation of it, that nothing shall move them to doe as in the East Angles, lay all in barnes." (COLVIN u. NEWMAN (Hrsg.) 1981, 97). Als eine andere Form der Mäusewehr wurden in diesem Fall die Pfosten mit den Streifen dünnen Messingblechs wahrscheinlich so glatt, daß Ungeziefer das Hochklettern erschwert wurde (Frau J.P.A. FENLEY, Amersham habe ich für die Erläuterung der Bedeutung von 'tinsell' zu NORTH'S Zeiten zu danken). HARRIS (1992, Abb. 6D) bildet einen Kornspeicher über einem Fuhrwerkunterstand aus England ab.
Im Fachschrifttum wird direkt geraten, den Getreideboden über Schuppen, Schirrkammern und Wagenremisen anzulegen, nicht aber über Wohnhäusern und über Ställen (KADURA 1864, 25). Gründe dafür sind einmal, daß über den Remisen die Ausdünstungen und Temperaturschwankungen, wie sie über Stall- und Wohnbereich herrschen, entfallen, zum anderen die Feuersicherheit aufgrund der isolierten Lage im Hofbereich und der Nutzungen, zu der man selten offenes Licht benötigt." ZIMMERMANN, 1992, S. 261






Freitag, 20. März 2020

Und stetig wächst das Schindeldach

Es ist doch etwas zutiefst befriedigendes, kontinuierlich an einem Projekt zu arbeiten und es Stück für Stück werden zu sehen!

Klar, immer wieder kommen dabei Abschnitte, die sich ziehen. Schindeln sind so ein Abschnitt. Vor allem kann es zwischendurch Phasen geben, da guckt man, was man so an einem vollen Arbeitstag geschafft hat, und denkt sich: "toll, drei Reihen." Und wenn man dann zählt, was noch fehlt, denkt man: "Hm."

Und dann aber gibt es so "Landmarken". Am First angekommen zu sein, wenn auch erstmal nur mit einer Seite, ist so eine Landmarke. Und die ist nun erreicht. Grund genug, mal von oben auf die schuppige Haut unseres Ungetüms von Schuppen (ha!) zu gucken und sich daran zu erfreuen. Da nehmen wir euch doch gerne mit aufs Dach!








So sieht es nun von unten aus. Die "End-Bretter" sind nun auf dieser Seite ab. Nun wirkt das doch gleich viel "organischer"... (es ist unglaublich, auf was für Ausdrücke man auf dem Bau so kommt.) Klickt übrigens ruhig mal auf die Bilder, dann öffnen sie sich größer und ihr könnt hinein zoomen.







(Wieder so ein Wiederholungsbild, das kommt nur davon, daß man sich einfach manchmal nicht entscheiden kann, welches man nun nehmen soll)







Von der anderen Seite sieht es noch etwas hilfsbedürftig aus, aber wenn erst mal die Wände drin sind, dann gibt es einen ganz anderen Eindruck. Laut Torbens bautechnischer Relativitätstheorie wirken alle Gebäude plötzlich viel größer, nachdem erst einmal Wände da sind. Und das stimmt tatsächlich! Wenn man mal das Skelett eines alten Fachwerkhofes sieht, also ohne Wände, dann denkt man dabei: "Boah, ist das klein! Da drin kann man wohnen?"








Die andere Seite des Daches ist zum Glück nur halb so viel Arbeit, also um genau zu sein, halb so viel von sehr viel. Es liegen nun nur noch ein paar Tage vor uns.









Aus dieser Perspektive (nächstes Bild) wirken die Enden der "End-Bretter" der anderen Dachseite wie Giebel-Zier. Eigentlich keine schlechte Idee. Mal sehen, vielleicht machen wir da oben noch etwas cooles dran. Wikinger hätten da getz (ruhrpöttisch für "jetzt") sicher Drachenköpfe anmontiert. Keine Angst, machen wir schon nicht.








Vielleicht montieren wir einfach nur einen ganz simplen Pömpel. Denkt, was ihr wollt dazu.








Ihr könnt uns gerne schreiben, was ihr euch da oben so vorstellen könnt, es ist ja nun mal eher ein "extra-wissenschaftliches Modell"* eines 15-Pfosten-Baus.








Das "Enden schön Machen" hat sich übrigens volle Kanne gelohnt, finden wir. Stellt euch vor, wie jetzt hier schnöde Sägeschnitte ausgesehen hätten!








Ist schon ein ziemlicher Kontrast zu den anderen Gebäuden auf dem Eisenzeitgelände. Aber wir wollten wirklich schon lange mal was anders machen, als üblich. Und angesichts der Beziehungen zwischen den mittel-latènezeitlichen Bewohnern unserer Gegend und den Leuten weit im Süden des Landes, die sich durch die Funde auf der Schnippenburg so schön zeigen, wird dieser Bau so etwas wie ein Kultur-Zitat. Au weia, jetzt geht's aber los...







Nun ist erst einmal wieder etwas Pause hier auf dem Blog, denn es ist Wochenende. Und wir wünschen euch ein besonders schönes! Nächste Woche sehen wir uns dann wieder!




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* Extra = lateinisch für außen, außerhalb von (hier außerhalb wissenschaftlicher Norm, sofern man das bei Modellen von Gebäuden oder Rekonstruktionen sagen darf.

Dienstag, 17. März 2020

Against All Odds


Wir machen trotzdem weiter.


Im letzten November haben wir die Holzlieferung für den Bau unseres "Schuppens" bekommen. "Boah", dachten wir damals, "was kommt da auf uns zu?!". Natürlich haben wir dabei nur an unsere Arbeit gedacht. Von allem, was zur selben Zeit begann und tatsächlich bald auch auf uns zu kommen sollte, haben wir damals ja nichts ahnen können. Und wisst ihr was? Es ist gar keine schlechte Sache, damit gerade jetzt einfach weiter zu machen. Wir denken einfach weiter an die schöne Arbeit, die wir da machen. Und machen weiter. Auch wenn uns manche für ignorant halten, auch wenn uns eh bald keiner mehr liest... und wenn auch die ganze, die schlechte, die wacklige, die alberne Welt vor den Augen zusammenfällt, wir beide stehen zusammen, mit der Axt in der Hand, und jagen die Trübsal einfach fort. Das war nun auch (beinahe) das letzte, das ihr von uns zu dieser Sache hören werdet.


Durch alle Wetter sind wir nun hier draußen zusammen gegangen. Nun müssen wir den Frühling auch in unser Herz lassen. Das hat er nämlich verdient. Und er gibt sich seit Tagen alle Mühe. Und diese Tage nutzen wir.





Im Schindeln Zurechtstutzen und Einpuzzeln sind wir inzwischen richtig gut. Trotzdem ist es eine langwierige Sache. Aber wer würde klagen, wenn bei so einer Arbeit pausenlos die Sonne auf einen herunter lacht. Sie lacht bestimmt, weil ihr gefällt, was sie da sieht. Also machen wir es im Zweifel für die Sonne, und natürlich für euch!






Stoisch wie Esel sortieren wir jeden morgen unsere Schindeln, packen sie auf unsere Planke und legen los.






 Stoisch wie Esel messen wir kleinlich die Breiten und beilen alles weg, was uns nicht passt.






 Stoisch wie Esel legen wir Schindel neben Schindel, tack - tack- tack ertönt es, wenn alles zu Torbens Zufriedenheit ist. Nicht einmal die Vögel schrecken dabei noch auf.













In unserem "Schüppchen" steckt ja so viel erlebte Geschichte, die die Bäume, aus denen alles besteht, erlebt haben, daß es vielleicht ein bißchen auf uns abgefärbt hat. Diese Lebewesen haben ihr Leben lang nur an einer Stelle gestanden, konnten sich nicht vom Fleck bewegen. Und dennoch wuchsen sie. Immer weiter und weiter, und höher und höher. Und nun transformieren wir sie in ein überdachtes Machwerk, das euch, wenn ihr es braucht, auch im übelsten Wetter Schutz bieten kann.






 Dafür geben wir uns Mühe.








 Stoisch wie Esel.





 Oder eben Bäume.











































































 Noch sind wir lange nicht fertig. Aber noch ist die Welt ja auch noch nicht ganz zusammengefallen.






 Ein paar Reihen noch bis oben.






 Rätselbild. Was ist im zweiten Bild anders?






 Ein bißchen darf es bereits regnen. Von einer Seite aber nur.






 Da drunter wird es richtig gemütlich! Probiert es mal aus, wenn ihr Lust habt.






 Die Sonne scheint aus dem Holz zu kommen! Irgendwie steckt sie ja auch tatsächlich darin.






Jede Schindel wird von Christian mehrmals in der Hand gewendet, von ihm abgebeilt, dann von Torben abermals gewendet und betrachtet, bevor sie schließlich den genau für sie passenden Platz findet. Das ist dann für diese Schindel der Platz in dieser Welt für viele Jahre, die kommen werden. 













Wenn man von hinten kommt, und sich den Gebäuden auf dem Eisenzeitgelände nähert, wird man diesen Anblick haben.



















 

















 
Es ist ein schöner Anblick, findet ihr nicht auch?







Am Ende hat es sich doch noch etwas bewölkt. Aber für heute sind wir fertig. Morgen nachmittag sind wir vermutlich oben angekommen. Doch dann wechseln wir die Seite und fangen wieder ganz von unten an. Aber dieses Mal ist "unten" irgendwie bereits die halbe Höhe. Wenn wir das geschafft haben, montieren wir alle Hilfshölzer, Hilfsplanken und Hilfsbretter ab, montieren die Stützen ab und dann kann die Ausstakung der Wände und der Lehmbau beginnen. Die Leute, die das machen werden, waren heute schon zu Besuch, um sich ein Bild davon zu machen, was sie erwartet. Wir haben uns dabei an alle Regeln* gehalten, die im Moment so wichtig sind. Denn auch wir wollen dabei mithelfen, daß wir alle schnell wieder zur Normalität finden können und die Welt wieder beginnt, sich selbst zu ähneln.

Bleibt uns gewogen! Und bleibt dran! Hier bei uns ist es doch viel besser als im Moment im Fernsehen! Und ihr könnt uns auch immer noch gerne auf der Baustelle besuchen kommen. Ihr müsst euch nicht zu Hause einschließen. Denn frische Luft und Sonne sind gesund und machen gute Laune. Und wir auch. Ihr müsst euch nur an ein paar Regeln* halten.


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*Regeln: Bitte kommt in kleinen Gruppen unter 10 Personen. Haltet zueinander einen Abstand von etwa zwei Schritten. Gebt euch nicht die Hände. Bleibt fern, wenn ihr niest oder hustet. Das ist der jetzige Stand. Informiert euch zu den Regeln für Begegnungen im Freien und haltet euch auf dem Laufenden.

So. Das war nun das letzte, was ihr von uns zum Thema gehört habt.