Donnerstag, 28. November 2019

Balkenroutine

Wie unsere Balken entstehen und warum

Wenn man uns so dabei zusieht, wie wir unsere Balken machen, fragt man sich unweigerlich: wieso um alles in der Welt machen die das? 
Wir wollen einige der Fragen, die uns schon dabei gestellt worden sind, beantworten.

Frage Nummer eins war oft: wieso sägt ihr nicht einfach Kantbalken im Sägewerk und fahrt dann einfach mit Eurem "Monster" ratz-fatz mal drüber und fertig ist die Sache.

Die Antwort darauf ist: wenn wir Kantbalken sägen, werden sie komplett gerade. Wir müssten Krümmungen künstlich hineinarbeiten. Dat sieht nich aus (norddeutscher Slang). Wir streben ein kantiges Profil an, gehen aber mit dem Wuchs. D. h. die natürliche Krümmung und der "Schwung" des Stammes bleiben so weit ertragbar erhalten. Auch mancher Knast bleibt erhaben.

Frage Nummer zwei war gelegentlich: warum macht ihr sie überhaupt kantig? Wieso nehmt ihr nicht einfach die runden Stämme im richtigen Querschnitt, entrindet sie und verbaut sie?

Antwort (lange Version): weil wir irgendwie nicht mehr ganz daran glauben , daß die Leute in der vorrömischen Eisenzeit weite Gebiete im Wald nach geraden, dabei genügend langen und genau richtig dicken Bäumen abgesucht haben, diese dann gefällt und alle von sonstwoher als Baumstämme zusammengekarrt haben, um sie zum Bauplatz zu verfrachten. Wir glauben, daß es schlicht einfacher war, Bäume mit passendem Querschnitt für mehr Ausbeute zu fällen und sie direkt vor Ort, also im Wald - ungeachtet irgendwelcher leichter Krümmungen oder Schwünge zu halbwegs geraden Balken, Bohlen und weiß nicht was zu verarbeiten, und sie dann, wesentlich handlicher und vor allem leichter transportierbar zum Bauplatz zu schaffen. Es macht einen enormen Unterschied, ob man von verschiedenen Stellen im Wald je einen 6 Meter langen, 20 cm dicken Stamm zum Bauplatz schaffen muß, oder ob man von nur einer Stelle im Wald einen genügend starken Baum zu mehreren 18er bis 20er Kantbalken verarbeitet, bereits mit der richtigen Länge, sie im Pack aufladen und mit Ochsenkarren zum Ort der Bestimmung fahren kann. 10 - 20 auf 6 Meter Länge gerade und relativ astfreie Eichen mit nur 20 cm Durchmesser wird man zusammen gesucht haben müssen. Irgendwelche halbwegs gerade und zwischen 30 cm und 40 cm dicke Eichen mit Ästen hier und da wird man dagegen unweit des Bauplatzes leichter gefunden haben. Außerdem kann man für diese Zeit von einem entwickelten Waldmanagement ausgehen, bei dem genauso wie heute eher eine Überalterung von Baumbeständen vermieden wurde, als es zu akzeptieren, daß ganz junge Bäume von nur 20 cm Durchmesser für Bausubstanz gefällt wurde. So etwas hätte den Wald in kurzer Zeit erheblich geschädigt. Dickere und somit ältere Stämme auf Endmaß herunter zu arbeiten, scheint also plausibler. Die Werkzeuge dafür waren allemal vorhanden und das Knowhow nach über 4000 Jahren Hausbau sicher auch. Man kennt aus vielen Grabungen inzwischen eine beeindruckende Vielfalt an hochwertigen geschmiedeten spezialisierten Holzbearbeitungswerkzeugen aus dieser Zeit, die perfekt an die Erfordernisse von Zimmerleuten für die Herstellung sauberer Schlitz-Zapfenverbindungen, sowie das Behauen von Bauholz angepasst gewesen sind. Es gibt aus niederländischen und englischen Moorgebieten entsprechend schöne Beispiele von verzimmerten Holzbauteilen nicht nur von Häusern, sondern auch von Wegen, die sogar noch weit älter sind, als die Befunde "unseres" Gebäudes.  Ein dicker, frisch gefällter, nicht zu astiger Stamm lässt sich übrigens mit überraschend einfachen Hilfsmitteln spalten, abschwarten und dechseln. So langsam ist das auch gar nicht. Geübte Leute brauchen für vier gute 10er Kantbalken aus einem 40er Stamm mit spaltenden Beilen und Holzkeilen und dann mit Dechseln ungefähr einen Arbeitstag. Kam beim Experimentieren von Leuten, die das allerdings nicht allzu oft gemacht haben, so raus.

Antwort (kurze Version): gefällt uns besser und macht mehr Spaß.

Weitere Fragen waren: warum macht ihr sie dann nicht mit den in der Eisenzeit bereits nachweisbar vorhandenen Werkzeugen? 

Antwort: Wir haben nicht die Zeit und den finanziellen Rahmen. Wir müßten alle Werkzeuge wie Sägen zum Ablängen, Tüllenbeile, Tüllenquerbeile (Dechsel), Tüllenbeitel etc. zunächst schmieden (kein Knowhow-Problem, aber ein zeitliches), bräuchten dann wesentlich mehr Manpower, viel mehr Zeit am Holz und und und. 

Oder: Und glaubt ihr, daß Eure Balken die Optik haben, die mit den eisenzeitlichen Werkzeugen erzielt worden wäre? 

Antwort: Wir kennen Balken, die komplett mit originalgetreuen Werkzeugen gemacht wurden. Sie sehen beim genauen Hinsehen etwas anders aus. Je nach Fähigkeit der Zimmerleute. Aber wir kommen dem sehr nahe. Die Unterschiede verschwinden weitgehend übrigens nach recht kurzer Zeit durch das natürliche Vergrauen des Holzes. 
Die Methode ist entscheidend. Sägt man einen Balken und macht dann Macken hinein oder arbeitet man einen Balken aus dem vollen Stamm in kleinen Schritten nach und nach heraus. Das ist wie Holzbildhauerei mit Ziel "Balken". Wer sich für die generelle Optik von solchen komplett handgemachten Balken interessiert, kann einfach mal den Begriff  "handgehauene Eichenbalken" in die Google-Suche eingeben.

Und auch: Warum macht ihr manchmal zuerst einen kantigen Balken, um ihn dann doch wieder rund zu machen:

Antwort: Das ergibt sich beim Entfernen des restlichen Splintholzes, wenn das Stück nicht dick genug war, zum Beispiel bei Verwendung von Spaltlingen oder Sturmbruch oder starken, einigermaßen geraden Ästen, die häufig traditionell zu Streben oder zu anderen, für weniger anspruchsvolle Aufgaben benötigten Bauhölzern verarbeitet wurden. Auch hierzu gibt es gute Referenzen unter dem Suchbegriff  "handgehauene Eichenbalken" im Internet.

Noch eine: Manche Balken sind sehr kantig, andere nicht, manche Flächen sehr begradigt, andere eher schlampig, wieso? Hattet ihr unterschiedlich gute Laune?

Antwort: Wir haben immer gute Laune, denn es macht uns Spaß, was wir da tun. Manche Balken müssen sehr genau gearbeitet sein, z. B. die "Deckenbalken", wenn sie später einen "Deckenboden" bekommen sollen. Auch das Rähm wäre gerade besser, wenn die Auflage der Sparren auf gleicher Höhe sein soll. Wir wollen ja kein Wellendach... Andere Balken, wie zum Beispiel Streben oder Außenständer dürfen so krumm, halbkantig oder teilrund sein, wie sie eben sind. Dann werden sie eben krumm, halbkantig oder teilrund eingebaut. Bei Mittelständern und "Deckenbalken" (nennen wir nur so..) würde das doof aussehen.
Hier mal ein Beispiel eines typischen Arbeitsablaufes (von heute vormittag), eine ganz schnöde Strebe entsteht.


Zunächst ein nasser, knastiger und am Ende ausreißender, übrigens fast schwarzer Stamm.




 Dann kommt zuerst die Katze, hält nicht für ein Foto still....

...husch! Da war die Kamera nicht schnell genug!

 ...Arbeit ruht, wollen sie ja nicht verscheuchen.




 Sie ist sehr süß, hat nicht einmal einen Namen und lebt da "einfach so".




  ...Nach etwas Überzeugungsarbeit kann es dann weiter gehen.
Erstmal oben was wegnehmen. Langsam rantasten.




Es folgen beherzte Schläge mit dem Beil, immer einmal direkt von oben, dann danach sofort flach...



Zwischendurch dechseln.. den Balken drehen, dann wieder Beil, wie es halt so kommt.



 Mit dem Dechsel kommen auf jeden Fall die "Huckel" weg.



 Kaffeepause.




 ..weiter geht's...










 Am hinteren Ende bleibt der Balken halt so krumm, wie er auch als Stamm war. An der schön "kantigen Kante" steht noch einiges an "Spund" (Slang für "Splintholz"). Das muß weg, auch wenn es schade ist.




Buckel an den Flanken mit dem Beil begradigen.. erst mal leichte Einkerbungen machen und dann mit einem Schwung weghauen.




...geht so gerade noch...



 Oben ist schonmal leicht mit dem "Monster" drübergebügelt worden... (ersetzt tausende feine Dechselschläge)



 ..sieht soo schlecht gar nicht aus. Krümmung am Ende noch da, alles gut.


 drehen ..weiterbügeln... und die Strebe kann so bleiben. Spund ist weg, Kante leider auch, aber so ist das Leben.



 gucken, ob die Krümmung noch drin ist... ist sie, alles gut.





Kaffee.


Hier noch zwei weitere Beispiele, die die schöne Optik zeigen: fünf sehr genau gearbeitete "Deckenbalken". Sie müssen bereits draußen lagern, drinnen ist alles voll. Sie alle haben einen natürlichen Bogen, den man hier gar nicht sehen kann. Die Dinger kommen mit dem Bogen nach oben auf die Ständer. Sie liegen sich dann mit der Zeit gerade, vor allem unter Last. Man sieht manchmal, daß "Deckenbalken" in alten Fachwerkhäusern so eingebaut sind, daß man sie nach einigen Jahrzehnten umdrehen kann. Denn sie hängen tatsächlich irgendwann durch. Dreht man sie um, geht's wieder für eine ziemlich lange Zeit.



 Ist doch nicht schlecht!


Unsere Werkstatt macht nun für heute zu. Über das Wochenende ist Pause. Montag geht es weiter. Am Nachmittag sind wir dann mit den großen Teilen des "Bausatzes" durch. Alle Balken sind Individuen, keiner gleicht dem anderen, jeder hat seinen ganz eigenen Charakter. Wir werden uns noch nach Jahren an jeden einzelnen von ihnen erinnern können.

Wir wünschen Euch ein schönes Wochenende. Vielleicht fällt Euch ja ein Name für die süße kleine Katze ein!









Mittwoch, 27. November 2019

Speicher oder was?





Unser neues Projekt nennen wir einfach "Speicher". Obwohl wir eigentlich gar keinen "klassischen" Speicher bauen. Aber wie kommmt das eigentlich?

Wir wollen euch ein bißchen auf dem Weg zu unserem neuen Gebäude mitnehmen. Da gehört natürlich auch der eigentümliche Gedankengang dazu, der letztlich zu dieser Wahl geführt hat.

Zu eigentlich jeder eisenzeitlichen Siedlung hier im Nordwesten gehörte neben dem großen Haupthaus, das als Wohnstallhaus zugleich Stallungen für das Vieh, aber auch den eigentlichen Wohnbereich mit Feuerstelle besaß, auch eine Anzahl kleinerer Nebengebäude, wie Schuppen, Werkstätten, kleinere Stallungen und einfache Unterstände.
Zu den vermutlich wichtigsten Nebengebäuden gehörten die sogenannten Speicher. Man stellt sich solche Speicher als auf erhöht liegenden Plattformen errichtete Bauten oder als Gebäude mit lediglich erhöhtem Lagerboden vor. Sie dienten vermutlich zur Unterbringung von Dingen, die auf keinen Fall feucht werden durften. Getreide zum Beispiel. Für unseren Raum typisch schienen lange Zeit nur "4- bzw. 6-Pfostenspeicher" zu sein. Man kennt aus den Grabungen aus der vorrömischen Eisenzeit inzwischen aber auch 9-Pfostenspeicher. Besonders ab dem 1. Jh. nach Chr. kommen Vielpfosten-Speicher auf, die zwischen 12 und 20 Pfosten haben konnten. Gemeinsam haben sie eine annähernd quadratische oder nur leicht rechteckige Grundfläche und sehr wenig Abstand zwischen den einzelnen Pfosten. Die Größe veränderte sich damit teils beträchtlich.

Die Skizze unten zeigt die typische Anordnung der Pfosten sogenannter eisenzeitlicher Speicher, wie sie immer wieder in Grabungen auftauchen. Es sind Vier-, Sechs- und Neunpfostenspeicher.




Am Eisenzeithaus haben wir vor ein paar Jahren einen solchen Speicher nachgebaut. Es ist ein Neunpfostenspeicher. Hier sieht man die Rückseite. Die Türe ist genau auf der anderen Schmalseite. Bei diesem Speicher haben wir das erste mal mit kantigen Pfosten und Balken gearbeitet. Das Dach ist "klassisch" mit Reet gedeckt, obgleich vermutlich Langstroh einfacher verfügbar gewesen ist. Reet ist heute allerdings leichter erhältlich.


By Basotxerri - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=59335718


Am Eisenzeithaus gab es als weitere Nebengebäude einige Unterstände, die wir auch dringend für die Aktivitäten mit Gruppen brauchten, vor allem, wenn es mal regnete. Diese waren irgendwann marode und mußten abgebaut werden.
Den Plan, sie zu ersetzten, gab es also schon länger.

Dann wurde von der Stadt- und Kreisarchäologie nur einen Katzensprung vom Eisenzeithaus entfernt bei den archäologischen Voruntersuchungen einer künftigen Baufläche ein Gebäude aus der vorrömischen Eisenzeit entdeckt, das 15 Pfosten und eine besondere, deutlich langschmale Form gehabt hat.

Es gehört damit nach Hajo Zimmermann* zu den sogenannten "langgestreckten Speichern".

Diese besondere Gruppe der sogenannten "langgestreckten Speicher" weist viele Pfosten auf (12, 15, 18,), die aber in weit auseinanderliegenden Gruppen angeordnet sind, was eine lang gestreckte Grundfläche zur Folge hat. Laut Zimmermann ist die Ansprache dieser Gebäude als "Speicher" im Gegensatz zu den 4- bis 9- Pfostenspeichern und den fast quadratischen Vielpfosten-Speichern allerdings unsicher**. Funde dieser Art Gebäude gibt es seit der mittleren vorrömischen Eisenzeit.

Zu dieser Gruppe gehört der Befund vom Erlengrund in Ostercappeln-Venne. Funde von Keramik in den Gruben unter den ehemaligen Pfosten datieren ihn auf ca. 400 - 100 v. Chr.

Hier ist die bemaßte Befundzeichnung zu sehen.

© Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

Im Vergleich mit den typischen Pfostenanordnungen, wie sie weiter oben zu sehen sind, sieht dieses Gebäude aus wie eine langgestreckte Version der typischen Speicher. Oder wie ein 9- und ein 6-Pfostenspeicher, die in Reihe gebaut wurden. Oder wie zwei Sechs-Pfosten-Speicher nebeneinander, die mit einer Art "Verladebrücke" verbunden waren. Vielleicht war es aber auch gar kein Speicher. Dieser Therorie werden wir nachgehen.


Spannend ist, daß die Orientierung des Gebäudes in nordwestlicher Richtung ziemlich genau 22,5° beträgt, was genau zwei nautische Strich oder NNO  bedeutet. Hatte die Orientierung mit der Himmelsrichtung und damit mit dem Sonnenlicht zu tun? Im Winter würde die Sonne von Aufgang bis zum Mittag eine Langseite komplett erwärmen können, während sich ihr in der hochsommerlichen Hitze ab Mittag nurmehr noch eine Schmalseite präsentiert. 


Deshalb haben wir natürlich zuerst an die "klassische" Rekonstruktion gedacht.
So wie hier hätte sie dann in etwa ausgesehen.




Doch in einem erhöhten Bau können wir leider kaum Aktivitäten mit Gruppen durchführen. Auch würde er in keiner Weise den Bedürfnissen von Menschen mit Handicap gerecht. 

Die Lösung war, den Pfostenbefund zur Grundlage zu nehmen, daraus aber ein Gebäude zu entwickeln, das einerseits unseren Bedürfnissen eines praktischen Nutzens, vor allem für die Museumspädagogik, gerecht werden würde, aber zugleich auch auf der anderen Seite eine alternative Interpretation eines archäologischen Befundes anbieten könnte, um zu Grundfragen archäologischen Rekonstruierens einen Diskussionsbeitrag zu leisten. 
Kurzum, wir entschieden uns, exakt auf der Basis der Pfosten ein an einer Langseite offenes, ebenerdiges Gebäude zu errichten. Der Bereich zwischen den einzelnen Pfosten mißt von dieser Langseite immerhin stolze zwei Meter. Wir bauen also einen Unterstand mit vier je 2 Meter breiten Fächern.
Als Beifang ergibt sich damit eine Nutzungsmöglichkeit, an die wir bislang noch gar nicht wirklich gedacht haben.

So ist die Zeit der vorrömischen Eisenzeit im Nordwesten Europas berühmt für die zahlreichen Funde von aufwändigen Wagen. Besonders schöne Exemplare fand man zum Beispiel im Moor bei Dejbjerg in Jütland, Dänemark. Aus dem benachbarten Westfalen sind aus dieser Zeit Wagengräber bekannt, also Gräber, in denen die bestatteten Personen jeweils zusammen mit einem Wagen beigesetzt wurden***. Man stelle sich eine solche Sitte heutzutage vor!

Auch auf der Schnippenburg sind Funde von Wagenteilen gemacht worden, wie z. B. ein besonders typischer verzierter Achsnagel.

Hier die Rekonstrution eines solchen Wagens, hier aus Dejbjerg. Wie würdet ihr so etwas unterbringen?


Bild: Ringkøbing-Skjern Museum


Neben diesen prachtvollen und wohl für zeremonielle Anlässe benutzten, von Pferden gezogenen Wagen waren einfache bäuerliche Wagen verschiedener Einsatzzwecke vermutlich bei jedem Hof während der Eisenzeit in Gebrauch. Man fuhr mit ihnen die Ernte ein, transportierte Holz aus dem Wald, u.v.m.. Der auf dem Land noch bis vor wenigen Jahrzehnten typische bäuerliche Leiterwagen wäre wahrscheinlich jedem eisenzeitlichen Bauer und jeder Bäuerin sofort vertraut gewesen, wenn sie eine Zeitreise hätten unternehmen können. Die eisenzeitlichen Bauernwagen konnten vollständig aus Holz, ohne Verwendung von Metall gebaut werden. Nur selten gibt es daher erhaltene Funde; alle stammen aus Mooren und sind beim Torfstechen entdeckt worden.

Hier ein solches einfaches Exemplar:


Bild: Jørgen Kraglund, Skalk.



Wo aber stellte man die Wagen unter? Die Öffnungsweite der Türen eines typischen Wohnstallhauses war für die Einfahrt dieser Gefährte viel zu schmal. Und in erhöhte Speicher hiefte man sie sicher auch nicht. Einfach draußen im Regen ließ man sie sicher nicht stehen. Und ärmliche Abdächer, die bei Sturm allzu leicht in sich zusammen fielen, scheiden sicher als Unterbringungsmöglichkeit für diese ebenso wertvollen wie nützlichen Fahrzeuge aus. Wir könnten jetzt ganz zufällig eine Lösung für dieses Problem gefunden haben. Waren die sogenannten "laggestreckten Speicher" vielleicht Gebäude mit einer anderen Funktion? Waren sie Wagenschupen? Oder beides, Wagenschuppen mit Speicherboden?



Der Befund vom Erlengrund als Wagenschuppen? Bauen wir jetzt auch einen Wagen? Wieso eigentlich nicht?

Mal sehen... erstmal muß der Schuppen fertig werden. 

Kurzum: wenn es auch kein "Speicher" im Sinne der klassischen Rekonstruktionen wird, der Pfostenbefund vom Erlengrund wird durch dieses Gebäude anschaulich wiedergegeben und dadurch erlebbar und diskutierbar. Auch die Orientierung des Gebäudes exakt zwei nautische Strich Ost wird rekonstruiert und damit die Voraussetzung geschaffen, die Möglichkeit einer Bedeutung von Sonnenständen als Grundlage für die Ausrichtung von vorgeschichtlichen Gebäuden zu prüfen. 

Darüber hinaus wird dieser Bau aber vor allem spielerisch mit der Frage umgehen, ob viele Pfosten auf kleinem Raum grundsätzlich eine erhöhte Plattform bedeuten, oder ob sich andere Funktionen für ein solches "pfostenreiches Gebäude" als z. B. die eines Speichers finden lassen. In der Praxis wird sich zeigen, ob sich der Bau als nützlich für bestimmte Bereiche eisenzeitlichen Wirtschaftens erweisen kann, oder ob er gänzlich unpraktisch wäre. Eines aber ist sicher. Er hat ein Dach, unter das man sich bei Regen unterstellen und unter dem man sogar in kleinen Gruppen werken kann.



________
* Zimmermann, W. H., 1992: Die Siedlungen des 1. bis 6. Jahrhunderts nach Christus von Flögeln-Eekhölten, Niedersachsen. Die Bauformen und ihre Funktionen. Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 19, Oldenburg. Abb. 185, 186, 187 u. 191.
** ebenda S. 241
*** Reepen, Birte, 2011: Archäologische Untersuchungen zu eisenzeitlichen Wagengräbern im nordwestdeutschen Raum, Abschlussarbeit zur Erlangung eines 2-Fach Bachelors der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster (Westf.).

Montag, 25. November 2019

Es geht voran!

Heute war ein guter Tag! Um 8 Uhr in der Früh heizten wir den Holzofen in der Werkstatt neben der Halle an, und nach wenigen Minuten brodelte schon das Wasser auf dem Kocher, während es draußen kalt und diesig war. Der Duft von frischem Kaffee weckte Sekunden später unsere Lebensgeister. Bisher waren irgendwie nur unsere Körper eingetroffen. Aber nun fiel der Schlaf von uns ab und uns wurde bewußt, was wir in den vergangenen drei Wochen schon so alles geschafft haben. Die allerersten Rohlinge haben wir ja schon vor der "großen" Holzlieferung gefertigt. Und auch bereits allerhand Spaß gehabt. Beim Ausprobieren von Techniken, was man alles mit einem Fällheber so anstellen kann, Logistik-Tests mit Flaschenzügen, Böcken, beim hin- und her Gekarre der ersten gelieferten Stämme, und und und..
Nun sehen wir so langsam Land. Wenn alles so saugut weiterläuft wie bisher, können wir in der nächsten oder übernächsten Woche schon den Abbund durchführen. Dazu muß die Halle in der Mitte komplett frei sein. Die kleine Halle zwischen unseren Ohren auch. Und gefegt muß sein. Wir sind im Kopf bereits gut durchstrukturiert dafür. Und der Plan steht auch bereits. Die meisten Bauteile bringen wir deshalb jetzt schon in gut erreichbaren Stapeln am Rand der Halle unter, so sortiert, daß wir sie dann von oben nach unten so wegnehmen können, wie wir sie zum Abbund brauchen. Die Halle dürfte so in etwa knapp reichen, um das Rahmenwerk mit Pfosten darin komplett zu verzimmern. Durch Anbringen uralter traditioneller Bundzeichen, die wir natürlich bei einem vorgeschichtlichen Gebäude so anbringen, daß sie später nicht zu sehen sind, wissen wir später beim Richten genau, wo was wie zusammengehört. Es wird ein spannender Moment, wenn alle Zapfen zum ersten Mal in ihren Schlitzen ruhen und wir zum ersten Mal "unser Werk" in voller Größe betrachten können. Irgendwo werden wir dann, wenn das Haupt-Ständerwerk nicht mehr von alleine umfällt, unsere Zeichen hinterlassen. Wir sind gespannt, ob ihr sie später am Gebäude findet! Klar, ab dann ist es noch eine Menge Arbeit. Aber das dann vollkommen ohne Krach.  Die Feinarbeit, das Nachbehauen und Dechseln steht dann an, aber auch 170 Latten müssen noch hergestellt werden. Auf diese werden später beim Dachdecken handgespaltene und mit dem Ziehmesser abgerichtete Eichenschindeln genagelt. Viele Eichenschindeln! Deshalb so viele Latten. Himmel, was freuen wir uns darauf!

Nach all diesen Gedanken beim Kaffee ging es ans heutige Tagewerk.


Loch? Loch!

Was macht man mit so einem Loch? Absägen? Ausstopfen? Dieses Ende des werdenden Pfostens einbuddeln?  Genau solche Fragen werden sich die Leute in der Eisenzeit auch bei einem solchen Anblick gestellt haben... Der Baum hat hier während einer ziemlich miesen Zeit Ballast abgeworfen. Das Loch hat er dann aber gut versiegelt. Es ist vollkommen ohne Bedeutung für die Stabilität. Schade, daß es genau da liegt, wo es entweder im Boden enden oder weggeschnitten werden muß, weil hier später ein Zapfen hin muß. Wenn das Loch in der Mitte wäre, würden wir es glatt so lassen und vielleicht sogar den Pfosten so drehen, daß man das Loch sehen kann. Wer weiß, für was es dann einmal Verwendung findet? Man könnte seinen Feuerstahl dort reinlegen. Oder sonst was damit anstellen. Auf alle Fälle ist so etwas spannend, es erzählt von einem Moment im vergangenen Leben dieser Eiche.


Torben am "Monster", der andere hat gerade mit Fotografieren zu tun...
Links an der Wand sieht man die bereits fertigen Bauteile.

Heute haben wir nichts anderes gemacht, als in den letzten Tagen. Der Spänehaufen unter unseren Füßen wächst und wächst...


Life of Agony im Kopfhörer, während das Baustellenradio ACDC's Sin City stampft, liebliche und verzückende  Klänge gegen den Krach









Hier liegt bereits das komplette Rähm, noch etwas roh... kaum zu glauben, daß das hier vor ein paar Tagen noch rohe Baumstämme waren.







.... und hier stapeln sich allmählich die werdenden Pfosten.
Es sind 10 der insgesamt 15 Pfosten, die dem Gebäude seinen Namen geben. Es sind ganz schöne Trumme! Darunter liegt ein Teil der gespaltenen und begradigten Teile, aus denen bald die Sparren werden.

Um halb sieben Uhr war Schluß für heute. Wir freuen uns bereits auf morgen! Denn morgen versuchen wir uns an Perfektion, wenn wir uns an die Balken machen. Die Balkenlage ist enorm wichtig, sie ist bei diesem Gebäude in mehrfacher Hinsicht tragend von Bedeutung, sie wird nicht nur die langen Trägerbalken, sondern dazu noch einen kleinen, aber hoch belastbaren Lagerboden tragen. Hier in Norddeutschland sagen die Alten noch "auf den Balken legen", womit das Einlagern von etwas unter dem Dach gemeint ist. Etwas "Unter Dach und Fach" bringen, sozusagen. Die alten Höfe hierzulande hatten keine Keller. Alles kam irgendwie auf den Balken. Dort lag es trocken. Und oft auch sehr lange! Bei manchen alten Fachwerkhöfen findet man dort oben auf dem Balken noch Sachen, die vor hundert oder zweihundert Jahren mal dort hinauf geschafft wurden. Unsere Balken werden zusammen mit den sechs frei stehenden Ständern so etwas wie die "Seele" des Gebäudes, daher machen wir sie akkurat! Lasst Euch überraschen. Bis morgen! 

Sonntag, 24. November 2019

Von Bäumen und Menschen


Es ist Sonntag. Und an Sonntagen macht man keinen Krach. Jedenfalls nicht mit Motorsägen.

Zeit, mal darüber nachzudenken, was wir in den letzten Tagen eigentlich so gemacht haben.

So viele schöne Eichenstämme! Wie viele Bäume sind gefällt worden dafür. Und wir rücken ihnen nun mit lauten und aggressiven Geräten zu Leibe. Aufmerksamen Leserinnen und Lesern des gestrigen Posts - es schwang dort zwischen den Zeilen ja schon irgendwie mit - wird wohl nicht entgangen sein, daß wir uns sehr bewußt sind, daß wir es mit besonderem Material zu tun haben, das von Bäumen stammt, von denen die ältesten ein ganzes Jahrhundert erlebt haben.

Wenn wir die Schnittfläche der Stämme betrachten, können wir die Jahresringe sehen und sie zählen.
Die Jahresringe eines Baumes sind sein Tagebuch. Hier schreibt der Baum sein ganzes Leben auf.

Er hat ja keinen Mund und keine Stimmbänder und kann uns nicht mit Worten erzählen, wie es ihm ergangen ist.
Aber wir können in seinem Tagebuch lesen.

Der Fünfzigjährige erzählt uns darin vielleicht, wie lange er als junger Baum im Schatten eines Großen gestanden hat, der ihm das Licht nahm. Und von dem einen, ganz besonderen Tag, an dem alles anders werden sollte. Als ein Sturm oder ein Holzknecht den Alten gefällt hat, und als auf einmal die Sonne mit voller lebenspendender Macht zu ihm hinunter lachte. Wie er von diesem Tag an sein eigenes Leben so richtig beginnen, wie er endlich durchstarten konnte. Und wie er dann zu einem großen, mächtigen Baum heranwuchs.
Aber wir lesen vielleicht auch von den Rückschlägen und Sorgenzeiten, die dann kamen. Als starke Stürme ihn schoben. Ihm Äste abrissen. An seinen Ringen sehen wir aber, wie er mit der Zeit gelernt hat, sich den Stürmen entgegen zu stemmen, wie er sich an genau der Seite, in die ihn der Wind am häufigsten schieben wollte, verstärkte. An seinem Stamm entlang geblickt sehen wir Löcher, wo mal ein Ast war. Er hat ihn abgestoßen, als es ihm sehr schlecht ging, er nicht alles Holz mehr tragen konnte, weil es plötzlich sehr wenig Wasser gab, das seine Wurzeln noch erreichen konnten. Was war geschehen? Und wann? Das Tagebuch gibt vielleicht Aufschluß: war es im Herbst vor dreißig Jahren? Hat jemand in dieser Zeit vielleicht eine Pumpstation für Trinkwasser in der Nähe gebaut?
Der letzte Jahresring besteht aus Spätholz, er kam nicht mehr dazu, Frühholz zu bilden. Also kam sein Ende im Winter.
Warum mußte man ihn fällen? 50 Jahre sind doch noch nicht alt. Für eine Eiche.
Und müssten wir nicht ein schlechtes Gewissen haben? Weil wir an ihm nun sozusagen Leichenfledderei begehen?

Der 100-Jährige ist nicht viel dicker als der, von dem eben die Rede war. Er erzählt davon, wie er sein ganzes Leben lang darum kämpfen mußte, ans Licht zu kommen. Er stand leider so tief im Tal, daß es nicht einmal viel half, wenn in seiner Nachbarschaft endlich die alte Buche zu Boden ging, die ihn nie gemocht hatte.  Hat er es endlich geschafft, und fiel dann doch der Säge zum Opfer? War er nun zusammen mit seinen gleichaltrigen Gefährten an der Reihe, damit die Jungen ihre Chance haben würden? Wer weiß.

Klar fragen wir uns, ob es überhaupt sinnvoll ist, so kräftige, gesunde Bäume auf dem Höhepunkt ihres Lebens zu fällen.
Aber die Stämme, die wir bearbeiten, stammen ja nicht von Bäumen, die für uns gefällt worden sind. Sie wurden vor rund zwei Jahren zur Bestandsverjüngung gefällt, und ihre Stämme lagerten von da an geschält am Sägewerk, bis sie für unsere Arbeit erworben wurden. Das Schälen ist heutzutage wichtig. Denn wir haben durch die der Artenvielfalt dienende etwas verantwortungsbewußtere Waldwirtschaft der letzten drei Jahrzehnte und durch das milder werdende Klima wieder Käferarten, die fast ausgestorben waren oder neue Arten, die sich mit dem Holzhandel aus fernen Regionen eingebürgert haben. Darunter sind Käfer, deren Larven sogar das Kernholz von Eichen besiedeln.

Die Jugend muß ihre Chance haben. Daher ist es wichtig, daß älteres Holz irgendwann geerntet wird. Wenn man es richtig macht. Und wenn man dann daraus etwas Gutes macht. Der freiwerdende Lebensraum wird ja wieder von einem anderen Baum genutzt. Er freut sich, wie der Baum in unserem Beispiel weiter oben, über die Chance, die er plötzlich endlich bekommen hat. Über die Sonne, die er jetzt erst ganz für sich nutzen kann.

Nur kommt es darauf an, was wir aus dem Holz dann machen. Wir haben die Wahl. Wir können etwas Schönes, Wertvolles, sehr Langlebiges daraus machen. Oder wir können daraus Sondermüll machen.
Ein Gang durch manch ein Möbelhaus oder das Blättern in manchem Katalog für Fertighäuser reicht, um zu sehen, was zumeist aus Holz entsteht. Mit Leimen, Farben, Lacken, Konservierungsmitteln ist zu oft aus wertvollem Holz Sondermüll gemacht geworden. Hier ändert sich das Bewußtsein allmählich. Unserer Gesundheit und der Umwelt zuliebe. Denn mal ehrlich, man kann Holz nicht für immer konservieren. Irgendwann ist es Müll. Und am besten kann man es dann in einem schönen Ofen verbrennen. Oder man lässt es in der Natur verrotten. Das geht aber nur, wenn es unbehandelt ist. Und der Zeitpunkt, ab wann es Müll ist, hängt sehr davon ab, wie langlebig und werthaltig das ist, das aus dem Holz gebaut worden ist.

Ein Beispiel kann das sehr gut verdeutlichen.
Eine Fichte, die in einem sehr hoch gelegenen Tal im Karwendel an besonders ruhiger und gut geschützter Stelle gewachsen ist, wird zusammen mit hunderten anderen Fichten ihrer Umgebung, nachdem dort verjüngt werden mußte, zum günstigen Kubikmeterpreis verkauft. Hunderte Kubikmeter wechseln zum Tagespreis den Besitzer. Für die Papierherstellung, für die Spanplattenfabrik, oder zur Herstellung von Holzpellets, als Sackware.

Vor über 300 Jahren kaufte auch schon jemand Holz dort oben. Er war Handwerker. Ihm reichte aber nur etwas mehr als ein halbes Kilogramm Fichtenholz aus dem Karwendel, um eine Geige zu bauen. Natürlich baute er viele Geigen. Sein Name war Antonio Giacomo Stradivari. Diese Geigen sind zum Teil heute Millionen Dollar wert. 
Für was würden wir als Baum lieber unser Leben lassen? 

All das ist uns hinter unseren Ohrenstöpseln sehr bewußt. 

Um so mehr werden wir uns Mühe geben, aus diesen Eichenstämmen etwas zu bauen, das viele Menschen, viele Familien mit ihren Kindern, noch sehr sehr lange erfreuen kann. Und das gerne über Jahrzehnte, vielleicht so gar über hundert Jahre lang, gepflegt, in Stand gehalten, repariert und genutzt wird. An einem Ort, der Geschichte erfahrbar macht. Und an dem wir etwas lernen können. Auch über das Bauen mit Holz.

Kleiner Nachtrag.
Müssen wir denn unbedingt wertvolles Eichenholz für unsere vorgeschichtlichen Gebäudevisualisierungen nutzen? Woanders baut man sowas doch auch aus Fichtenstämmen, die ohnehin wegen des Borkenkäfers gefällt werden mussten. Die Antwort ist: Ja. Fichten hat es vor 2250 Jahren in unserer Region nicht gegeben. Wir bauen das ja, um einen Eindruck davon zu geben, wie Gebäude in der vorrömischen Eisenzeithaus ausgesehen haben könnten. Wir müssen zumindest versuchen, den Stand archäologischer Forschung einigermassen anschaulich wiederzugeben, sonst wäre unser Projekt ohne Bedeutung. Einfach irgendwelche Hütten aus irgendwelchem Holz ohne jedwede archäologische Grundlage zu bauen und Besucher glauben zu lassen, dass das hier ein mindestens  wahrscheinliches Abbild vorgeschichtliches Gebäude sei, ist nicht unser Ding. Wir wissen ohnehin nur wenig wirklich. Was wir aber wissen, sollten wir darstellen. Stellt euch vor, wir bauen ein Haus nach, von dem wir wirklich nicht genau wissen können, wie es tatsächlich im Original aussah und bauen das dann auch noch aus kerzengeraden Fichtenstämmen, von denen wir genau wissen, dass damit hier in der Gegend nicht gebaut wurde. Wozu sollten wir dann überhaupt etwas bauen? Dann wäre sogar das Fichtenholz verschwendet und wäre sinnvoller zu Dachlatten verarbeiten worden. Es sind genau zwei Dinge, die wir über diese Gebäude recht sicher aus archäologischen Grabungen erschließen können. Die einstigen Pfostenlöcher und damit die Dimension, Grundkonstruktion und der Typ des Gebäudes sowie das verwendete Bauholz, nämlich hauptsächlich Eiche. Für alles andere sind wir auf etwas kompliziertere multidisziplinäre Erkenntisprozesse angewiesen. Genau das kann anhand unserer Visualisierungen diskutiert werden. Und damit ist ein Hauptteil unsere Aufgabe erklärt. Wir machen Ideen sichtbar und damit breit diskutierbar. Punkt.




Samstag, 23. November 2019

Die ersten Arbeiten am neuen experimentellen 15-Pfosten-Bau

Am Anfang stand ein undeutlicher Plan. Ein archäologischer Baubefund mit 15 Pfostengruben, die in fünf hintereinanderliegenden Dreiergruppen angeordnet waren, wird zur Grundlage eines Nutzgebäudes. Ein schmales, aber langes und sehr "pfostenreiches" Gebäude wird es werden. Es muß, damit es für die beabsichtigte Nutzung geeignet ist, allerdings zwingend ebenerdig werden. Die große Anzahl Pfosten auf kleiner Fläche gibt jedoch Anlaß zu Vermutungen, daß sie eine Art Plattform trugen, auf der sich ein erhöht angelegter Speicher befand. Wenn ihr wissen wollt, wie wir dieses Problem gelöst haben, klickt hier!



Zunächst "spielten" wir mit den Neigungswinkeln des Satteldaches. Die Wahl fiel auf einen 45° Winkel.



Vom Mittelpfostenprinzip trennten wir uns zugunsten einer anderen Konstruktion, die zeigen würde, daß gelegentlich auch ein scheinbar zweischiffiger Befund mit Mittelpfostenreihe einen Doppelpfostenbau bedeuten könnte, bei dem zwei Pfostenreihen das Dach tragen. Experimentelle Archäologie ist immer irgendwie das Testen von Möglichkeiten. Rekonstruieren kann man streng genommen nur das, was tatsächlich in einem archäologischen Befund da ist. In diesem Fall wären es 15 in Dreiergruppen angeordnete Erdlöcher. Sonst nichts. Wir wollen testen, wie das dazugehörige Gebäude ausgesehen haben könnte. Wir könnten in den nächsten Jahren sicher zehn völlig verschiedene Gebäude bauen, die alle auf dem selben Befund beruhen. Eigentlich keine schlechte Idee!





 

Aus der groben Skizze wurde zum Glück im Büro des Architekten ein richtiger Bauplan. Die Kopfbinder fielen beim Architekten, der zugleich Statiker ist, durch. Sie wurden durch Streben ersetzt. Der kleine Firstpfosten blieb vorerst auf Wunsch drin. Ob wir ihn tatsächlich einbauen, entscheidet sich, wenn wir die Qualität der Eichenstämme kennen.







Dann kam der Tag, an dem es ernst werden würde.
Es ist ein früher Morgen im November, die Sonne noch gar nicht richtig aufgegangen, kaum 3 °C. Es ist nebelig trüb und es nieselt leicht... eigentlich genau der richtige Moment, um wieder ins Bett zu gehen. Und dann dieser einschüchternde Anblick!



 


Wir machen das zwar nicht das erste Mal, aber es ist doch jedesmal ein schockierender Anblick, wenn das Holz kommt. Und das letzte Mal, daß wir ein eisenzeitliches Gebäude gebaut haben, ist inzwischen schon eine Weile her. Und wir zwei sind älter geworden. Torben hat aber einen perfekten Ablaufplan gemacht, wie alles in den nächsten Wochen und Monaten zu einem fertigen Bau zusammenwachsen soll. Torben ist Zimmermeister aus Leidenschaft. Er denkt jedes Detail bis zum Ende durch. Es kann eigentlich nichts wirklich schief gehen. Und Christian wird wieder in seiner gewohnten Rolle sein, einfach alles wegzuschnitzen, was nicht Haus ist. Die beiden haben das auch beim großen "Mutterschiff", dem Eisenzeithaus, so gemacht. Dabei haben sie sich kennengelernt. Torben, der Meister, und Christian als sein Zuarbeiter. Richtig lange ist das nun schon her. Wird auch diesmal schon alles hinhauen. Aber der Moment, in dem der Holzlaster dann endlich auf dem Hof steht, weckt alle instinktiven Fluchtreflexe in jedem mit Intelligenz begabten menschlichen Wesen. Muß in der Natur des Homo Sapiens liegen. Vielleicht ist genau das der Grund, warum wir so erfinderisch sind. Und heute fahren, statt zu laufen. Und erst recht keine Häuser mehr von Hand aus Holzstämmen bauen.

Leider ist es fast unmöglich, Eichenstämme zu bekommen, die idealerweise nur aus Kernholz bestehen, bis zu sechs Meter lang, dabei aber nur 20 cm dick sind. Unsere Stämme sind wenigstens bereits mit der Maschine geschält, eine Arbeit, die wir zuvor immer selber gemacht haben. Dafür sind sie enorm dick. Bis zu 40 cm Durchmesser, wobei die Rinde bereits fehlt und das Splintholz bis auf ca. 1 bis 2 cm bereits abgetragen ist! Der Stammdurchmesser muß also ungefähr bei 50 cm oder bei einigen sogar noch darüber gelegen haben. Einige von ihnen werden wir der Länge nach aufsägen oder spalten, denn wir benötigen auch recht schmale und flache Teile.

 

Bereits beim Abladen wird uns so langsam bewußt, was wir uns da vorgenommen haben. Aber wir freuen uns. Eigentlich.  Denn wir können uns beide jetzt, noch vor der ersten Tasse Kaffee, überhaupt nicht vorstellen, wie wir das alles bewältigen werden... Vom rohen Stamm zum schönen und gefälligen und passgenauen Balken.....klar, wir könnten sie einfach so einbauen, wie sie sind. Rustikal könnten wir das dann nennen. Urzeitlich. Bäume gefällt und irgendwie zu einer Hütte verbunden. So stellen sich ja viele Leute prähistorische Bauten vor... Aber wir bauen Geschichte. Und die war vermutlich anders. Und die eisenzeitlichen Handwerker waren Fachleute mit guten Werkzeugen. Und der Erfahrung von über 4000 Jahren Holzbau im überlieferten Wissen.











 




 




 




 









Auch wir sind nicht ganz unerfahren im Bau vorgeschichtlicher Bauten, und so haben wir bei allem, was wir tun, das fertige Gebäude vollständig im Kopf. Auf den Plan gucken müssen wir nicht mehr. Wir kennen von jedem Bauteil die Anzahl, die Maße, die geplante Lage, die Verbindungsstellen, die erstrebte Oberfläche...

Nach dem Abladen besprechen wir jeden einzelnen Stamm. Dabei bemerken wir seine Vorzüge oder Schwächen und können bereits ungefähr einschätzen, wo wir ihn einbauen werden. Besonders wichtig ist die genaueste Suche nach Einbohrlöchern von Käfern. Übersieht man befallene Stellen im Holz, kann das später richtig traurig enden für ein ansonsten schönes Holzhaus. Und in den letzten Jahren hat sich im Wald einiges verändert. Klimaveränderung, verbesserter Umweltschutz, mehr Ökologie in der Forstwirtschaft, aber auch globaler Holzhandel mit seinen eigenen Risiken. Kurzum, wir müssen mit mehr kleinem Getier rechnen, darunter nicht nur mit einst bereits fast ausgestorbene Arten wie dem Großen Eichenbock, auch mit manchen neu auftretenden Arten, die mit dem weltumspannenden Holzhandel verschleppt wurden. Wenn man vor 50 Jahren eine Eiche aus dem Wald bekam, dann hatte man noch die Chance auf ein einwandfreies Stück Holz zu einem Preis, den man auch bezahlen konnte. Ein Förster zögerte nicht, einem selbst für so Unwichtiges wie eine vorgeschichtliche Hütte richtig gute Eichen zu fällen. Ein Stamm konnte ruhig länger nach dem Fällen im Wald liegen. Manchmal Jahre lang. Und war beim Vorbereiten des Baus mal ein Stamm dabei, der sich als nicht so gut entpuppte, dann griff man auf den nächsten zu, denn man fällte etwas mehr, damit man auf sowas reagieren konnte. Heute ist das alles anders. Optimale Eichen sind rar und teuer. Wenn man einen vorgeschichtlichen Hof nur aus optimalen Eichen bauen will, müssen die Stämme heute von weit her zusammen gesucht und herantransportiert werden, was sich kaum jemand leisten kann und was auch okölogischer Wahnsinn wäre. Nach dem Fällen müssen die Stämme sofort aus dem Wald verschwinden. Denn nach dem Fällen werden die Baumleichen heutzutage sehr schnell "besiedelt", kommen Käfer, durch den Geruch angelockt, suchen sich Spalten in der Borke und bohren zur Eiablage kleine Löcher ins Splintholz. Auch das bevorzugte Fällen im Winter ist kaum noch eine Garantie, dass alles gut geht. Denn die Winter sind mild geworden, Frostphasen sehr kurz. Und so kommt es, dass man aus der eigenen Umgebung nehmen muss, was verfügbar ist, und damit leben muß, gut hinschauen zu müssen. Und genau dazu dient unsere "Holzbeschau".

Die Längen sind bereits halbwegs den geplanten Baugruppen angepasst, so gibt es für das Rähm und für die Sparren längere, für die Pfosten kürzere. Die Eigenschaften jedes Stammes sind aber so individuell, daß wir darauf achten müssen, sie so miteinander zu verbinden, wie sie mit ihrem Charakter zusammenpassen. Einige haben einen leichten Drehwuchs, andere eine Krümmung, manche haben dicke Knoten oder hohle Stellen von abgestoßenen Ästen...
Jeder ist anders. Bäume sind Individuen, die viel erlebt haben im Laufe ihres langen Lebens. Miese Wetterphasen, lange Trockenheit, Frostwinter, Sturmschäden, Schädlinge...Zweibeiner und Vierbeiner, die drauf rum klettern, reinhacken, dran pieseln..  Unsere Stämme stammen von Eichen, von denen die jüngsten vor 50 Jahren ganz kleine Bäumchen waren. Die ältesten aber haben sogar noch das Ende des ersten Weltkrieges erlebt. Einige haben bei 40 cm Stammdurchmesser ganze 100 Jahresringe, andere bei gleicher Dicke nur etwa halb so viel. Damit verraten sie uns, wo sie so lange gestanden haben. Die einen standen in einem lichtarmen Tal und mußten ihre ganze Energie darauf verwenden, in die Höhe zu wachsen, um irgendwie näher an die Lichtzone des Waldes zu gelangen. Die anderen hatten es etwas leichter und standen auf einer ebenen Fläche. Sie konnten sich breit machen. Die ersten haben so gut wie keine Astansätze, die anderen um so mehr. Wenn Bäume reden könnten.


 






Wir werden "grün" bauen, d. h., wir verwenden - ganz wie seit Jahrtausenden - das frische, nicht abgelagerte Holz. Eichenstämme sind noch nach Jahren der Lagerung "grün". Die Trocknung dauert eine halbe Ewigkeit. Ein Gebäude, das aus solchem frischen Eichenholz gemacht wird, wird "leben", da das Holz im verbauten Zustand trocknen wird. Es wird sich winden, reißen, ziehen... dabei knacken, knarzen, ächzen. Weil wir aber nur traditionelle Techniken der Holzverbindung wie Schlitz und Zapfen beim Abbinden verwenden, sowie Holznägel, kann das Gebäude "arbeiten". Es wird sich im Laufe von Jahrzehnten "setzen". Irgendwann ist es wie ein gewachsener Körper. So ist auch jedes Haus, das auf diese Weise aus solchem Material in traditioneller Technik erbaut wurde, ein Individuum, das seine Geschichte erzählen kann. Dieses hier wird auch ein bißchen unsere Geschichte erzählen. Uns wird mulmig bei dem Gedanken, daß wir da etwas bauen werden, das uns, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, ganz sicher überdauern wird.  


Da hinten links, unter weißen und grünen Planen verbergen sich auch noch Stämme. Wir verteilen sie so, daß wir jedes "Batch" passend anfahren können.


Eigentlich wären wir gern schon bei der schönen Arbeit des Zusammenbaus am späteren Standort. Klar, dabei wird es dann Zuschauer geben. Aber harte Wochen der Vorbereitung liegen nun erst einmal vor uns. Und die fehlen den Zuschauern auf der späteren Baustelle eigentlich als Erlebnis. Denn es ist irgendwie so, als würde man einen Carport bestellen, und einen kleinen Wald geliefert bekommen mit den Worten: "Hier, da ist der Carport drin, man muß ihn aber noch auspacken...".


Die Arbeit an den Eichenstämmen ist heftig für den Körper. Wir sparen uns zwar eine Menge Zeit und Arbeit, indem wir dort, wo wir können, moderne Maschinen einsetzen. Dennoch bleibt ein anstrengender Marathon zu überwinden. Und vieles bleibt reine Handarbeit.
 

Chris folgt dem Wuchs des Stammes und arbeitet ihn auf das benötigte Maß ab, dabei so viel wie möglich an Splintholz entfernend. Es ist ein enormer Kraftakt, der über Stunden durchgehalten werden muß, viele Tage lang...


Zunächst muß nämlich von jedem Stamm das noch vorhandene Splintholz abgetragen werden. Dazu dient unser "Monster".  Sein Motor hat etwas mehr als 4 PS und 51ccm Hubraum, im Ganzen wiegt das Ungetüm um die 10 Kilo. Man zieht es gegen seinen eigenen Zug und "tanzt" dabei quasi um den Stamm herum und das in Körperhaltungen, die ganz schön in den Muskeln brennen..


Nach einer Weile haben wir unser System gefunden. Während der eine von uns das Grobe mit dem "Hobel" abträgt, beginnt der andere bereits, an der zuvor festgelegten Linie entlang mit der Motorsäge das wegzusägen, was bei zu massigen Stämmen traditionell mit der Axt und dem Beil abgetragen worden wäre. Traditionell kerbt man mit der Axt eine Flanke in regelmäßigen Abständen bis zur angezeichneten Linie ein, haut dann mit der Axt die dazwischen liegenden Flankenstücke ab, und glättet die Fläche dann mit dem Beil oder dem Dechsel. Diese Zeit haben wir nicht. Hier müssen wir eine "Abkürzung nehmen". Daher kommt in solchen Fällen die Säge zum Einsatz. Das ständige Gucken, ob man noch auf der Linie ist, nervt. Deshalb beeilt sich der "Hobler", damit er den Säger so bald wie möglich lotsen kann.





Wir arbeiten, wo es immer auch geht, mit Gerätebenzin, das nahezu kein Benzol und andere giftige Stoffe mehr enthält - der Gesundheit zu liebe. Dennoch entstehen Abgase.. Auf diesen Bildern sind wir noch ohne Atemschutz zu sehen. Das werden wir bald ändern.


Torben


Beim Sägen kommt eine Längsschnittkette, eine Kette mit speziellem Schärfwinkel, zum Einsatz. Mit normalen Sägeketten geht so etwas nicht.



Ein 4 Meter langer Schnitt exakt an der Linie entlang - freihändig und ohne Sicht auf die andere Seite! Torben hält dabei Blickkontakt mit Chris, der hier "Lotse" ist.

Der Sägende hält Blickkontakt mit dem "Lotsen". Er muß sich auf den "Lotsen" verlassen, denn er sieht ja nicht, ob er tatsächlich die Linie auf der von ihm abgewandten Seite genau trifft. Eine leichte Abweichung führt unweigerlich zu einer langwierigen "Kurskorrektur" und einem schwierigen Buckel, den das Breitbeil dann mühsam abarbeiten muß. Und da das Breitbeil vom "Lotsen" geschwungen werden wird, gibt der sich natürlich Mühe und betrachtet das Geschehen mit einer gewissen Anspannung, während die Späne auf ihn herabregnen. Das ist alles aber nur bei den Stämmen nötig, die wirklich viel zu dick sind.




Der "Lotse" muß sehr vorausschauend sein und rechtzeitig Zeichen geben, denn die Säge ist so träge wie ein langes Schiff... Die Zeichensprache ist einfach und bewährt. Wir beide beherrschen sie natürlich. So kann es keine Mißverständnisse geben...


Jeden Stamm müssen wir mehrmals drehen, damit wir uns der endgültigen Form des Balkens Stück für Stück nähern können. Wir wollen ja seinem natürlichen Wuchs folgen. Rechts unten im Bild liegen die ersten bereits fertigen Balken. Nach dem Abbinden wird jede später sichtbare Fläche noch final mit Dechseln überarbeitet. Das Herstellen der Bauteile erfolgt zwar nicht experimentell mit rein eisenzeitlichen Werkzeugen, aber das Resultat wird exakt das sein, was damals damit erzielt worden wäre. So "designen" wir sozusagen den Originaleindruck, den Originalgebäude abgegeben haben müssen. Jedes Freilichtmuseum hat in solchen Sachen so seine Methoden. Nicht viele lassen sich dabei allerdings gerne "in die Karten gucken". Manche archäologische Freilichtmuseen - auch renommierte! - entrinden manchmal die Stämme nicht einmal, bauen roh belassenes Holz ein und gehen damit den einfachsten (billigsten) Weg, auch wenn das sicher nicht den Häusern gerecht wird, wie sie auch schon vor über 2000 Jahren gebaut wurden. Oder nehmen der Einfachheit wegen kerzengerade Fichtenstämme, deren Rinde fast von allein abfällt und die man kaum weiter bearbeiten muß (Fichten hat es allerdings in alter Zeit bei uns gar nicht gegeben). Andere Museen bauen jedoch, wenn Zeit, Geld und genügend Leute vorhanden sind, rein experimentell komplett mit originalgetreuen Werkzeugen, rein von Hand. Das ist dann natürlich sehr beeindruckend! Zeit und Geld sind bei uns eher knapp. Und an Leuten gibt es genau: 2. Daher kürzen wir konsequent ab, machen aber beim Ergebnis keine Kompromisse. Es ist auch so schon sehr langwierig und anstrengend.


 Die exakt lotrechte Lage ist wichtig, damit man die gewünschten Winkel einhalten kann.




Wir schlagen die Linien, die eine Art "virtuelle Ebene" markieren, mit der Schlagschnur an, einer Schnur, die mit Holzkohlenstaub gepudert ist, der sich beim Zurückschnellen der von beiden Endpunkten gespannten Schnur am Holz abzeichnet. Manchmal müssen nur die fiesesten Buckel entfernt werden, um eine Gerade zu bekommen. Hier durchtrennt diese Linie einen am Rand liegenden Astknoten auf der späteren Unterseite des Balkens. Wir werden ihn mit seinen nächsten umgebenden Jahrringen "umfahren", statt ihn in der Mitte zu durchtrennen. So behält der Balken seine volle Kraft. Von solchen am Rand liegenden "Knästen" gehen später nämlich gerne beim Trocknen Risse bis tief ins Holz aus, oft quer zur Faser, was diesen Balken an dieser Stelle schwächen würde. Risse längs zur Faser und durchtrennte Knoten auf der Mitte einer Fläche sind dagegen vollkommen unproblematisch und schwächen das Holz nicht. An der Unterseite liegt ebenfalls der Rest eines "Knasts", diese Seite wird allerdings im eingebauten Zustand oben liegen, dort wirken die Kräfte komprimierend, daher ist dieser Knast unproblematisch.



Die Endpunkte müssen genau besprochen werden, damit der Stamm optimal ausgenutzt wird, mit all seinen Charaktereigenschaften. Natürlich könnte man auch einfach Kantbalken im Sägewerk sägen lassen. Aber dann hat man nicht das Ergebnis, das wir uns wünschen. Und der oben genannte "Knast" würde z. B. radikal durchtrennt.






 Das Festlegen der "virtuellen" Ebene ist jedesmal Konzentrationssache und erfordert Erfahrung.












Nun geht es ans Balken machen. Es ist eine der Möglichkeiten, das Breitbeil zu verwenden. Es ist ein guter Hobel, um Unebenheiten zu glätten, Maschinenspuren dort zu beseitigen, wo Maschinen eingesetzt wurden und Späne, die hochstehen, abzuschlagen. Es muß sehr scharf sein und auch scharf gehalten werden. Es sind alte Werkzeuge, die hier zum Einsatz kommen.



Dieses Breitbeil ist etwa doppelt so alt wie die Eiche, die gerade damit traktiert wird, also gut 100 Jahre.



Nach jeder Fläche wünscht man sich mit einer an Wahn grenzenden Gier einen Kaffee.

Christian

Die Feinheiten werden mit dem Dechsel gemacht. Dechsel gehören zu den ältesten Holzbearbeitungswerkzeugen. Hier ist absolute Konzentration, eine "eingerastete" Körperhaltung, "Muscle-Memory", und neben einem guten Auge, inzwischen von einer Brille gefördert, viel Erfahrung nötig, um eine gute und saubere Oberfläche zu erzielen. Bei diesem Balken haben wir eine relativ plane gesägte Fläche. Mit dem Dechsel wird sie testweise nachgearbeitet. An Pfosten und in der Balkenlage werden wir vieles rein mit dem Beil behauen, denn wir benötigen immer nur dort gerade Flächen, wo saubere Zusammenpassungen erfolgen sollen. Diese leider später unsichtbare Fläche bietet gute Möglichkeiten, um mit Handwerkzeug zu üben!


Das Ergebnis aller Arbeitsschritte ist später hoffentlich auch für die darüber streichende Hand spannend...

Die Oberflächen sollen möglichst "lebendig" sein und Charakter haben. Auch wenn diese Oberfläche später unsichtbar sein wird, gibt sie nach einigen Versuchen bereits den Eindruck sämtlicher Oberflächen wieder, die alle Pfosten und Balken, Pfetten und Rähme später prägen sollen. An dem feinen dunkleren  Markstrahl wird sich später ein Längsriss entwickeln. Das bedeutet nicht, daß der Balken kaputt geht, im Gegenteil werden dadurch Spannungen abgebaut und der Balken verbessert sich sogar.