Samstag, 21. Dezember 2019

Hurra! Die ersten Holznägel!

War euch nicht eigentlich auch klar, daß wir es nicht aushalten würden, bis ins neue Jahr zu warten, um weiter zu machen? Natürlich. Und wie lange schwebt das Wort "Holznagel" nun schon wie ein Gespenst um uns herum. Manchmal, ganz leise, hörte man es heulen und poltern. So auch in den letzten Tagen. Und so klingelte das Telefon, und kurzerhand trafen wir uns heute Mittag an unserem Werkplatz, um unser geheimnisvolles Rohr auszuprobieren! Erinnert ihr euch überhaupt noch an diese Geschichte mit dem geheimnisvollen Rohr?

Hier ein Bild zur Erinnerung:

"Wir mußten das ganze mehrmals machen. Einmal in Öl, war nix. Dann in Wasser mit Ölfilm, nö. Regenwasser mit Eis drauf: Jo. Na gut. Nicht optimal, geht aber. Vielleicht. Was es ist? Laßt Euch überraschen..."
Und hier ist der link zu dieser Geschichte, falls ihr noch mal gucken wollt, wie das mit dem Rohr so war.


Nun aber können wir das Geheimnis endlich lüften und den "Spuk" endlich beenden.


Hier spaltet Torben schon mal schmale Scheite aus Eichenholz.



Es gibt viel Ausschuß. Denn der Faserverlauf muß passen. Aber es gibt auch genügend gute Scheite. So sehen die dann aus. Alle etwa gleich lang, und gleich breit und gleich dick..



Und hier ist unser ominöses Rohr.


Die folgende Bildfolge ist irgendwie wie ein Daumenkino. Wer weiß im Zeitalter von Smartphones noch, was ein Daumenkino ist? Scrollt die Bilder herunter, ist fast wie Film.







STOP! 
Jetzt ist es Zeit, ein neues Scheit oben drauf zu setzen, und damit dann das eben hinein getriebene Scheit nach unten durch zu treiben.







DAS ROCKT!




 So sieht das Ganze dann von oben aus..












Jetzt fragt sich sicher jeder, wo die Dinger eigentlich hin verschwinden..


Deshalb hier das ganze Prozedere im Video, da wird das Rätsel gelöst! Stellt für die richtige Werkstattatmosphäre  ruhig den Ton an ;)



Na? Habt ihr's gesehen? Wir nennen unser Rohr-Dingsbums deshalb spaßhaft "Mama".



Es sind schöne Holznägel...


Und zwar mega schöne! Diese Holznägel haben mit denen, die man heute gemeinhin für den Fachwerkbau kaufen kann, nichts gemein. Die heutigen sind gefräst, und damit sind die Fasern durchtrennt. Geht auch. Das hier aber ist "real stuff" sozusagen. Mit dieser Technik spalten die Holznägel sich rund aus dem vollen Holz heraus und alle Fasern laufen beim fertigen Nagel in voller Länge durch. Solche Nägel sind perfekt für unseren Bau. Sie sind zäh und flexibel. Sie winden sich wie Würmer in das Loch und ziehen die Holzverbindung mit maximaler Stärke zusammen, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. Aber wir machen sie aus grünem Holz, d. h. wir werden sie einige Wochen unter dem Holzofen trocknen lassen, und sie dann von drei Seiten her anspitzen, bevor wir sie  verwenden können...

Hier seht ihr gut den Faserverlauf..







Wir kommen sogar echt gut voran!










Auch die ersten Probeschindeln sind heute eingetroffen! Man sieht es nicht auf Bildern, aber sie sind aussergewöhnlich. Denn ihre Länge misst satte 60 cm! Das ist beinahe einzigartig für Schindeln aus Eiche.




Sie sind von Hand gespalten, die Fasern sind in voller Länge intakt. Das Dach wird damit sicher einen tollen Charakter haben! Es sind so viele spannende Details, die dieses Gebäude ausmachen werden. Eigentlich ist es nur als Regenschutz gedacht. Aber es wird ein Regenschutz sein, über den man stundenlang nachdenken und erzählen könnte.







Hier, später bei Lampenlicht, mal ein Größenvergleich mit einem Zollstock.






Das war doch mal ein toller Nachmittag!

Aber jetzt ist wirklich Weihnachtspause. Echt. Versprochen. am 2. Januar geht es weiter. Bleibt uns treu! Wir sehen uns! Vi ses! See you! Nos vemos! Tot ziens!


Samstag, 14. Dezember 2019

Arbeiten vor der Weihnachtspause

Manchmal muß man einfach aufhören können.

Seit anderthalb Monaten sind wir beide nun damit beschäftigt, einen Haufen grober, ruppig geschälter Eichenstämme in ein Gebäude zu verwandeln. Heute haben wir alles gegeben, um noch so viel wie möglich zu schaffen, bevor es in die Weihnachtspause geht. Die letzten Balken fanden ihre Position auf den Längsträgern.

Dort aber sollten sie nur noch so lange bleiben, bis wir davon die zwei Bilder weiter unten gemacht haben. Dann versahen wir sie mit Bundzeichen, die dazu dienen, daß wir später beim Aufbau genau wissen, welches Teil wo genau hin muß und wie herum, und packten sie danach links an die Wand. Wir werden sie noch einmal benötigen, wenn wir die Sparren zusammenschneiden und sie im First mit sich selbst und am Fuß mit den Balken verblatten.

Beim Anblick dieser Konstruktion in natürlicher Lage (siehe die nächsten beiden Bilder weiter unten) wird wieder einmal klar, wie das Gebäude, dessen Bodenbefund wir zur Grundlage unseres Zweckbaus machten, wahrscheinlich tatsächlich ausgesehen hat. Auf dem nächsten Bild sehen wir nur zwei Längsträger. Der dritte wäre im Bild noch rechts parallel daneben im gleichen Abstand aufgebockt. Ihr müsst ihn euch für das folgende Gedankenspiel dazu denken. Stellt euch nun das Ganze wie ein Pfannkuchen gewendet vor, so daß die Balken unten sind und die Längsträger oben. Und unter jedem Kreuzungspunkt von Balken und Längsträgern stellt euch einen kurzen, vielleicht einen Meter aus der Erde ragenden Pfosten vor. Dann habt ihr die 15 Pfosten des Befunds. Natürlich müsst ihr euch dann auch die querliegenden Balken entsprechend verlängert vorstellen, denn sie liegen ja in diesem Fall auch auf dem hier fehlenden dritten Träger auf. Somit hättet ihr nun eine erhöhte Plattform, die einen beeindruckenden Bau mit vielleicht 2 bis 3 Meter hohen Wänden und einem Satteldach tragen kann. Ein solch mächtiger Speicherbau war sicher viel zu groß für nur einen durchschnittlichen eisenzeitlichen Hof. Unweigerlich kommen einem Gedanken an eine Art "Genossenschaft", in der mehrere Höfe sich ein Lagergebäude teilen konnten. Während wir darüber philosophieren, wächst in uns der unbändige Drang, genau das in absehbarer Zeit zu bauen.




In der etwas flacheren Perspektive des Bildes weiter unten kann man sich die Ausmaße des Speichers noch besser vorstellen: man müsste nur im Vordergrund den dritten Längsträger ergänzen, die Balken entsprechend verlängern, das Ganze undrehen, auf Pfosten setzten, ein Gebäude auf den Längsträgern aufbauen, und man hätte einen riesigen, erhöht auf Stelzen stehenden Speicher. Leider mußten wir uns entscheiden. Einen mächtigen und sicher beeindruckenden Plattform-Speicher ohne jeden praktischen Nutzen für das Projekt zu bauen, oder unter Beibehaltung der Postition der Pfosten aus dem Befund ein für uns nutzbares ebenerdiges Gebäude. Es fehlte leider sehr dringend ein großzügiger wettergeschützter Bereich auf dem Gelände, so daß die Wahl auf letzteres fallen mußte. Aber dieser Speicher ist damit nicht aus der Welt! Wir kennen aktuell niemand, der einen so großen eisenzeitlichen Speicherbau in Originalgröße gebaut hat, daher juckt es uns schon "zwischen den Fingern". Und wenn dieses praktisch nutzbare, sicher auch wunderschöne Bauwerk fertig ist, kann sehr gerne der erhöhte Speicher noch dazu kommen. So hätten wir zwei vollkommen unterschiedliche Bauten aus ein und demselben Befund abgeleitet, einmal einen Wagenschuppen und einen gestelzten Speicher. Das ist experimentelles Rekonstruieren. Wir müssen nur noch die richtigen Leute dafür begeistern!





Nachdem alle Balken weggepackt waren, legten wir den im obigen Bild vorderen Träger auf die Seite, um seine Pfosten darunter bauen zu können. Sie sind natürlich länger (oder besser: höher) als die Pfosten, die später an der niedrigen Gebäuderückseite stehen werden. Wir sehen hier nun sozusagen die mittlere Pfostenreihe, oder anders gesagt, die zweite Reihe der beiden Reihen mit hohen Pfosten, von der offenen Seite des Gebäudes aus gesehen. Schwer, sich das in diesem Stadium schon vorzustellen. Es braucht zugegebenermaßen einiges an Phantasie dazu. Um das Ganze einigermaßen noch auf's Bild zu bekommen, mußte der Kameramann ins Gebälk der Halle klettern.




In diesem Zustand muß das Gebäude nun allerdings Weihnachten feiern. Die zwei Pfosten am oberen Bildrand haben wir bereits gebohrt und schon mit den anderen fertigen und bis zum Aufbau nicht mehr benötigten Bauteilen auf den großen Anhänger geladen, mit dem wir alle Gebäudeteile später zum Bauplatz karren werden.
Das, was wir auf diesem Bild sehen, müssen wir noch ein weiteres Mal bauen, das kommt danach ebenfalls bereits auf den Hänger. Dann sind in unserer Halle nur noch die Balken und die Sparren sowie die kurzen Firstpfosten der eigentlichen Dachkonstruktion vorhanden. Um sie zu verbauen, benötigen wir eine 1:1 große Schablone. Es wird noch sehr tricky, das alles lotrecht hinzubekommen, so daß es später beim Zusammenbau nicht doch noch plötzlich schief steht.
Währenddessen arbeiten parallel bereits die Leute eines sehr traditionsreichen Handwerksbetriebes in Bayern an den enormen Mengen Eichenholzschindeln mit der für diesen Schindeltyp fast unmöglichen Länge von bis zu 60 cm! Wir stehen in regelmäßigem Kontakt und haben schon die ersten Schindeln gesehen. Sie alle werden rein von Hand gespalten und abgerichtet, wie es bereits seit Jahrtausenden geschieht.

Auch die Lehmbau-Leute machen sich derweil bereits startklar und bereiten vor den Frosttagen noch die richtige Mischung, die hölzernen gespaltenen Staken sowie den Kalkanstrich nach uraltem Rezept vor. Alles miteinander zu vereinigen wird sicher ein großartiges und spannendes Ereignis, auf das ihr euch schon freuen dürft und das ihr euch hoffentlich nicht entgehen lassen werdet!

Bleibt uns auf unserem Bau-Blog treu, und ihr werdet rechtzeitig erfahren, wann es soweit ist! Bis dahin wünschen wir euch allen eine schöne restliche Vorweihnachtszeit und sodann ein schönes, besinnliches Weihnachtsfest!

Wir sehen uns hoffentlich danach an dieser Stelle wieder!

Frohe Weihnachten! Glædelig Jul! Merry Christmas! Prettige kerstdagen! Zalig Kerstfeest! Feliz navidad! 



Photo by Tim Mossholder from Pexels



Montag, 9. Dezember 2019

Maus-Mobbing, verbotene Tollheiten und eingepasste Balken

Das Wochenende ist vorüber, und um acht Uhr waren wir wieder in der Werkstatt, um am neuen Gebäude weiter zu bauen. Doch bevor wir starten konnten, mußten wir erst einmal ein uraltes Drama mit ansehen. Die Katze (sie heißt übrigens Minka, meist jedoch Minky gerufen) hatte irgendwo da draußen eine Maus aufgetrieben. Weil Minky inzwischen sehr viel Zuneigung und entsprechend viel nahrhafte Zuwendung erfährt, dies auch sehr zu schätzen weiß, schlang sie das Tier nicht direkt hinunter, wie sie es bislang eigentlich immer tat, sondern leistete sich diesmal den Luxus einer ausgedehnten Trainingseinheit. Und um uns zu zeigen, wie nützlich sie trotz guter Fütterung immer noch ist, demonstrierte sie uns ihre Fähigkeiten natürlich direkt an unserem Arbeitsplatz. So spielten sich also grausame Szenen ab, während wir unsere Pläne für den heutigen Tag schmiedeten. Wir wollen Euch an Minkys Show teilhaben lassen und zeigen es Euch hier im Video. WARNING: THIS VIDEO MAY BE DISTURBING TO SOME VIEWERS! ;)




Süß, oder? Man will, daß die beiden Freunde werden. Aber tja. Wir gaben alles, riefen "Vertragt euch!", aber es war, wie es sein soll. Und so ließen wir den Dingen ihren Lauf.



Vielleicht ist Euch aufgefallen, daß wir große Löcher gebohrt haben für die Holznägel (von denen wir ....). Natürlich fragten wir uns, wie die eisenzeitlichen Leute sowas wohl bewerkstelligt haben. Die Antwort fanden wir im Löffelbohrer. Seit der Eisenzeit gibt es diesen Typ Bohrer nun schon, und bis vor wenigen Jahrzehnten waren solche Dinger hier auf dem Land noch im Einsatz, z. B. bei den Holzschuhmachern. 




Dieser hier passt sogar verblüffend genau in unsere Bohrungen. Probiert haben wir es heute nicht, damit eine Bohrung durch über 20 cm dicke Eichenbalken zu bohren, wir sind aber davon überzeugt, daß es ohne Probleme damit gemacht werden kann.
 
Heute standen die "Deckenbalken" auf dem Programm. Wie auch bei den Streben fertigten wir zuerst Schablonen an, denn die Balken sollen in ihrer Position eingespannt werden.







So sollen sie dann liegen. Sie werden später beim Bau mit Holznägeln befestigt. (Ja, wir fangen noch in dieser Woche damit an, Holznägel zu machen).




Da liegt er nun, der erste von fünf Balken. Die kurzen Latten-Stücke dienen nur als Markierung und um die Richtschnur zu halten.



Der Balken liegt nicht einfach auf, sondern ist genau in die langen Träger eingepasst, die wir vor einigen posts behelfsweise Pfetten genannt haben.




Der Gummihammer hilft dabei, den Balken aufzupressen, um den letzten Millimeter Widerstand zu brechen.




Hier ist die andere Seite. Eigentlich "klemmt" der Balken so schon genug. Die Holznägel werden ihn bombenfest dort befestigen.




Seit Wochen haben wir draußen mehrere fahrbare Maschinen im Einsatz, einen Teleskoplader und einen kleinen Hoflader, auf dem dieses Hinweisschild klebt. Natürlich werden wir inzwischen vor allen möglichen Gefahren durch Hinweisaufkleber auf so gut wie jedem potentiell gefährlichen Gerät gewarnt, aber das hier ist der Knaller! Ist uns erst jetzt aufgefallen. Wer von alleine auf diese Idee nicht gekommen wäre, der bekommt hier vielleicht die nötige Inspiration....



Der zweite Balken in Postition.




Hier mal zur Verdeutlichung die Stelle "unter" dem Balken, dort, wo er aufliegen soll. Weil die Konturen der langen Träger an den Oberkanten nicht geradlinig und exakt verlaufen, wie bei einem gesägten Balken, muß hier ziemlich angepasst werden. Jede Ausnehmung passt dann auch nur an genau die Stelle, für die sie gedacht ist.













Der dritte (mittlere) Balken sitzt nun auch in seiner Position.


Alle guten Dinge sind drei, und so beließen wir es für heute dabei. Die verbliebenen zwei Balken räumten wir noch hinein und bereiteten sie vor, damit wir sie am Donnerstag anpassen können. Denn vorher müssen wir jede Menge Kleinkram machen, der leider gar nichts her macht, um hier gezeigt zu werden: Umräumen, Aufräumen, Gerätepflege, Sachen besorgen und und und.




Am Donnerstag und Freitag werden wir alle fünf Balken für ihre Position angepasst haben. Wir zeichnen mit Markierungen alle Positionen an, und dann packen wir die fertigen Teile zur Seite.
Wie geht es dann weiter?
Im Grunde müssen dann nur noch die restlichen (langen) Pfosten mit Schlitz-Zapf-Verbindungen an die Pfetten angeschlossen werden, die Sparren im First zusammengepasst werden, alles wieder zerlegt und weggepackt werden, die Firstpfosten eingepasst und weggelegt werden und dann sind wir bereit, zum ersten Mal auf das Gelände zu gehen, wo das Gebäude seinen Platz finden wird. Dort beginnnen dann die Erdarbeiten. Dazwischen ist aber irgendwie auch noch Weihnachten und der Jahreswechsel.



Freitag, 6. Dezember 2019

Winkelhalbierende Stirnversätze und andere Wunder


Was für ein Freitag! Am gestrigen Donnerstag haben wir vier von fünf Pfosten an die Pfette der hinteren, niedrigen Wand angeschlossen. Heute morgen kommt von Torben die Ansage: "Heute muß das hintere Rähm fertig werden."
Dazu fehlt nur noch der Anschluß des fünften Pfostens, das Anfertigen und Einpassen der linken Hinterstrebe, das Anfertigen und Einpassen der hinteren rechten Strebe*, das Bohren aller Löcher für die späteren Holznagelverbindungen... So kurz vor dem Wochenende ein ordentliches Pensum, das da vom Meister vorgegeben wird.
Draußen ist derweil das Wetter so erbärmlich, daß der Himmel nicht mal mehr Lust darauf hat, sich selbst in den Wasserpfützen gespiegelt zu sehen, und darum wird es auch gar nicht erst hell.

Dennoch, es hilft ja nichts: raus mit dem linken Pfosten, der so schön saß...

Kaum ist er raus, fällt Torben unmittelbar wieder in diesen seltsamen Zustand, bei dem man nicht weiß, ob er noch bewußt, oder bereits kontemplativ-meditativ unbewußt zu nennen ist. Gelegentlich hört man ihn Gedanken aussprechen. Inzwischen aber hält man sich mit Antworten und Reaktionen zurück, weil man weiß, daß beim Durchlaufen von komplexen Denkprozessen gelegentlich der Mund und die Zunge Nervensignale abbekommen, die sie zu Sprechreflexen zwingen, die nicht als Einladung zu einer Unterhaltung gemeint sind. Vielleicht ist es, wie wenn jemand im Schlaf redet. Auch da machen Antworten selten Sinn.

Das Ergebnis des Messens von Winkeln und Berechnens von Kraftübertragungen ist zunächst eine rohe Schablone aus Pressspanplatte.






Etwas, das den Meister vom Gesellen oder vom Lehrling unterscheidet, ist die Courage, nur einmal zu messen, und sich dann auf das ermittelte Ergebnis hundertprozentig zu verlassen. Vielleicht erinnert ihr euch an die schwarzen, buckeligen Stämmchen, aus denen mit dem Beil und dem Hobel die Streben herausgebissen wurden. Wenn das hier schief geht, dann war diese Mühe jedenfalls umsonst, und wir müssen neue Streben anfertigen. Entsprechend still ist es in der Werkstatt. Abgesehen davon ist Christian ohnehin gerade damit beschäftigt, sein gestern abend zerbrochenes Augenlicht zu betrauern.





 Die Schablone wird auf die Strebe aufgelegt, millimeterweise nach links, dann nach rechts verschoben, hier und da kommen Striche mit dem Bleistift auf das Holz, aber natürlich nicht so, daß es einfach zu verstehen wäre. Klar ist nur, daß der Pfosten das eine Ende aufnehmen wird, die Pfette das andere, dort aber an beiden Stellen kein gerader Aufnahmepunkt, sondern eine eher virtuell hineinprojizierte Ebene angenommen wurde, die dann grob vorgesägt wurde. Wenigstens hier konnte sich Christian mit dem Stemmeisen zu schaffen machen, denn das Feinputzen fiel in seine Verantwortung.










 Dann geht alles, als wenn es sich um das Ankleben eines Hölzchens einer vorweihnachtlichen Bastelarbeit handeln würde. Irre.




 Das hier ist der Anschluß, wo im oberen Bild die Fuchsschwanz-Säge liegt.







 Und hier das linke Gegenstück, wo im genannten Referenzbild das Nageleisen liegt.



Hier die Ansicht "vor Kopf". Hier ist der von Christian gebeilte Pfettenkopf zu sehen, der nachher hinter dem links hinteren Eckpfosten aus dem Gebäude ragen wird. Rechts im Bild die soeben eingepasste Strebe.






Wer das mal ausprobieren möchte, hier die Formel für den winkelhalbierenden Stirnversatz einer Strebe, ist ganz einfach, LOL ;)




Wir müssen nun einen Sprung durch die Halle machen, vorbei an allen mittleren Pfosten, um den letzten Pfosten der Reihe, der der rechte Eckpfosten werden wird, anzuschließen. Nicht stolpern dabei, bitte, es liegt inzwischen wieder eine ganze Menge Kram überall herum. Christian kommt wieder die Aufgabe zu, mit dem Stemmeisen den Zapfen freizulegen, während Torben bereits mit der Schablone für die hiesige Strebe beschäftigt ist.



Wumm! Der Pfosten passt gut und der Zapfen sitzt tief in seinem Loch.



 Auch von der Außenseite des Gebäudes aus gesehen. Das hier ist der Kopf am rechten Ende der Pfette.





Sitzt, als ob er dort gewachsen wäre. Der Pfosten, nicht der Kopf.




 Nun kommt die Streben-Schablone...




So soll es werden. In der linken Bildmitte sieht man den vorletzten Pfosten. Wo die Schablone trifft, muß herausgearbeitet werden, was demnächst das Ende der Strebe ausfüllen soll. Möglichst spaltlos.





Was soll man sagen. Auch hier ein respektables Ergebnis!





















 Die Aufgabe eines Holznagels wäre hier, die Pfosten stramm an die Pfette zu binden. WIR HABEN JA ABER NOCH GAR KEINE HOLZNÄGEL (okay, einen gibt es schon). Außerdem kommen die erst hinein, wenn nix mehr wieder auseinandergebaut werden muß. Deshalb übernimmt das Strammziehen vorübergehend eine Holzschraube, die direkt nach dem Einpassen der Strebe wieder entfernt wird, da schon nach kurzer Zeit im nassen Eichenholz die Schraube oft nicht mehr raus geht, und beim Versuch, sie zu entfernen, oft der Kopf abdreht, und dann hat man den Salat (wir wissen, wovon wir sprechen).






 Die Ästhetik solcher vollkommen traditionellen Holzverbindungen, hier sogar ganz die archaischen Varianten, kommt so richtig bei handgemachten Balken zur Geltung. Das, was man hier sieht, könnte genau so gut hunderte Jahre alt sein. Ist aber alles nagelneu.













Hä? Alles nur geträumt? So hat es doch ausgesehen, als wir gerade erst die Pfetten verbunden hatten? Mit Schrecken dachten wir da noch daran, daß nun fünf Pfosten angeschlossen werden müssen, dazu noch die beiden Streben...

Aber es ist wahr. Es gab nur keine Zeit, Bilder zu machen, während wir alles, was wir in den letzten Tagen zusammengepasst und zusammengebaut haben, wieder auseinandernahmen. Aber es muß ja auseinandergebaut werden, damit wieder Platz auf der Tanzdiele ist für die nächste Pfosten- und Pfettenhochzeit.




 Wir haben dazu alle Pfosten wieder herausgezogen und zusammen mit den Streben auf diesen Haufen gelegt. Wenn man es nicht wüßte, könnnte man meinen, wir blicken auf einen Stapel alter Fachwerkbalken, die man nur saubergebürstet hat.




Mittags geschah noch ein kleines Wunder. Ein Optiker aus Hunteburg rettete Christians Brille. Das Gestell ließ sich nicht reparieren, aber die Gläser waren ja noch heile, wenn auch durchs Handwerken verkratzt. Da dieser Optiker als Handwerker großes Verständnis für die Lage eines anderen Handwerkers hatte, der nix mehr richtig scharf sehen konnte, schliff er kurzerhand die Gläser auf das Maß eines günstigen Gestells, damit es weitergehen konnte. Wow! Christian war der "Erich-Honecker-Look" seiner alten Brille ohnehin zum Hals herausgeflogen. Nun ist es wieder ein funktionstüchtiges Gerät. Danke vom Mann aus der Werkstatt in Venne an den Mann in der Werkstatt nach Hunteburg*!





*Name der Redaktion bekannt ;)

Über das Wochenende herrscht nun wohlige Ruhe in der Werkstatt. Eine eben solche wünschen wir euch Lesern und Leserinnen am Wochenende auch! Bis nächste Woche! 


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* Es ist bemerkenswert, daß die meisten Rekonstruktionen eisenzeitlicher Gebäude, vor allem die der sogenannten "keltischen" Gebäude im Süden, ohne solche versteifenden Diagonalstreben gebaut werden. Man geht offenbar schlicht davon aus, daß diese Idee erst viel später aufkam. Im Grunde aber ist sie so einfach und konnte sogar beim Spielen durch Kinder erlernt werden, die mit ein paar Stöckchen eine kleine Bude bauten. Baut man alles rechtwinklig aneinander, fällt das Machwerk sehr leicht um. Durch in jede Achse schräg eingebaute Hölzer kann man den Bau sehr stark und steif bekommen. Bei den "keltischen" Rekonstruktionen hilft man sich oft dadurch, daß man kreuzweise verspannte Drahtseile in der Lehmwand "versteckt", die die heutzutage von Statikern geforderte Aussteifung garantieren.